Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, anhand welcher Kriterien der Gegenstandswert im konkreten Fall zu bestimmen ist, wenn jedenfalls sicher ist, dass der Regelwert in einer Kindschaftssache heraufzusetzen ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 11.04.2014; Aktenzeichen 155 F 21659/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter gegen die Verfahrenswertfestsetzung in dem am 11.4.2014 erlassenen Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - 155 F 21659/12 - wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter gegen die Verfahrenswertfestsetzung, mit der eine (weitere) Heraufsetzung des vom Familiengericht mit 5.000 EUR bereits oberhalb des Regelwertes festgesetzten Verfahrenswerts für ein Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls auf 16.000 EUR begehrt wird, ist zulässig (§§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG). Der Rechtsbehelf wurde rechtzeitig angebracht (§§ 59 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG) und auch der Beschwerdewert ist, ausgehend von dem von der Beschwerdeführerin begehrten Wert, überschritten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 FamFG).
2. In der Sache bleibt die Wertbeschwerde indessen ohne Erfolg: Der Verfahrenswert wurde aus den zutreffenden Erwägungen des Familiengerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 28.4.2014, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, zu Recht mit 5.000 EUR angesetzt.
a) In grundsätzlicher Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass eine Abweichung vom Regelwert in Betracht kommen, wenn der zu entscheidende Fall von einer durchschnittlichen Konstellation wesentlich abweicht; beispielsweise, weil der Arbeitsaufwand des Familiengerichts aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles das in durchschnittlichen Kindesgefährdungssachen übliche Maß deutlich übersteigt, etwa, weil sich die Sachverhaltsaufklärung besonders (arbeits- oder zeit-) aufwendig gestaltet, oder weil ein umfangreiches Sachverständigengutachten einzuholen und mehrere Anhörungstermine erforderlich sind (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 19.9.2011 - 6 WF 307/11 -, FuR 2011, 72 [bei juris Rz. 3]; OLG Celle, Beschl. v. 11.2.2011 - 10 WF 399/10 -, NJW 2011, 1373 [bei juris Rz. 8]), weil das Verfahren aufgrund eines außergewöhnlichen Konfliktpotentials der Beteiligten für das Familiengericht nur mit einem deutlichen Mehraufwand an Zeit-, Arbeits- und Ressourceneinsatz bewältigt werden kann oder schließlich, weil das Verfahren mehrere Kinder betrifft, deren persönlichen Verhältnisse sich erheblich voneinander unterscheiden, weil etwa die Kinder auf unterschiedliche Pflegestellen bzw. Heime verteilt sind und auch keine anderweitigen Gesichtspunkte vorhanden sind, die dazu beitragen können, eine ansonsten gebotene Heraufsetzung des Wertes wieder zu relativieren wie beispielsweise, dass die Akte gleichwohl insgesamt einen eher geringen Umfang aufweist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2012 - 2 WF 64/12 -, FamRZ 2012, 1971 [bei juris Rz. 6]: Aktenumfang von 168 Blatt, Einholung eines Sachverständigengutachtens und Durchführung von zwei Anhörungsterminen rechtfertigt nicht stets eine Anhebung des Regelwerts) oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten Zurückhaltung gebieten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.3.2011 - 5 WF 6/11 -, RVG Report 2011, 347 [bei juris Rz. 5]; KG, Beschl. v. 10.1.2011 - 17 UF 225/10 -, FamRZ 2011, 825 [bei juris Rz. 8]) oder schließlich, weil die Sache aus sonstigen Gründen nur geringe Bedeutung hat (vgl. zum Ganzen ausführlich KG, Beschl. v. 25.9.2012 - 17 WF 268/12 -, FamRZ 2013, 723 [bei juris Rz. 4] sowie Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht [6. Aufl. 2014], § 10 Rz. 44; Meyer, GKG/FamGKG [14. Aufl. 2014], § 45 FamGKG Rz. 3 f. [beide jeweils unter Bezugnahme auf KG, Beschluss vom 25.9.2012, a.a.O.]).
b) Zu der sich daran anschließenden Frage, welcher Wert festzusetzen ist, wenn im Einzelfall nach Maßgabe der vorstehend geschilderten Kriterien eine Heraufsetzung des Regelwertes grundsätzlich in Betracht kommt, finden sich in der Literatur und der Rechtsprechung nur verhältnismäßig wenig Hinweise:
(aa) In der Literatur wird auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abgestellt und im Übrigen lediglich aufgezeigt, welche Umstände geeignet sind, eine Abweichung vom Regelwert zu rechtfertigen, ohne dass dargelegt würde, welcher Wert stattdessen in Betracht kommen sollte bzw. mit welchem Faktor der Regelwert ggf. zu vervielfältigen wäre (vgl. etwa Schneider/Volpert/Fölsch-Türck=Brocker, FamGKG [2. Aufl. 2014], § 45 Rz. 19 ff.; Münchener Anwaltshandbuch/Groß [4. Aufl. 2014], § 36 Rz. 156; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht [6. Aufl. 2014], § 10 Rz. 44; Hartmann, Kostengesetze [44. Aufl. 2014], § 45 FamGKG Rz. 9).
(bb) Auch in der veröffentlichten Rechtsprechung finden sich hierzu - soweit ersichtlich - kaum grundsätzliche Ausführungen. Das OLG Hamm (Beschluss vom 27.4.2012 -2 WF 64/12 -, FamRZ 2012,...