Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Unterlassungstitels nach Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
Ist eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung wegen veränderter Umstände aufgehoben worden, so kann ein Ordnungsmittel wegen einer Zuwiderhandlung nicht mehr verhängt werden und ist ein bereits verhängtes aufzuheben, wenn die Zuwiderhandlung erst nach dem Zeitpunkt begangen wurde, auf den die Aufhebungsentscheidung zurückwirkt. Gibt der Tenor der die einstweilige Verfügung aufhebenden Entscheidung diesen Zeitpunkt nicht an, so kommt es auf den den Gründen dieser Entscheidung zu entnehmenden Eintritt des Aufhebungsgrundes an.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.09.2002; Aktenzeichen 16 O 51/01 Kart) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 10.9.2002 aufgehoben und der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt bei einem Wert von 15.000 Euro der Gläubiger.
Gründe
I. Unter dem 31.1.2002 hat die Zivilkammer 16 des LG Berlin im Beschlusswege auf Antrag des Gläubigers eine einstweilige Verfügung erlassen, nach der es der Schuldnerin bei der Vermeidung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, den Gläubiger wörtlich oder sinngemäß aufzufordern, für den Verkauf von Produkten aus der Warengruppe "G." die von der Schuldnerin in deren Preisliste empfohlenen Verkaufspreise einzuhalten. Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 5.2.2002 zugestellt.
Mit Schreiben vom 22.2.2002 ließ der Gläubiger die Schuldnerin auffordern, die einstweilige Verfügung "als nach Bestandskraft und Wirkung einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichwertig" anzuerkennen "und demgemäß auch auf alle Rechte des Vorgehens gegen den Titel bzw. den zugrunde liegenden Anspruch" zu verzichten. Darauf übersandte ihm die Schuldnerin unter dem 5.3.2002 eine "Verpflichtungserklärung", in der sie sich ggü. dem Gläubiger dazu verpflichtetet, "es zu unterlassen, die Firma (des Gläubigers) wörtlich oder sinngemäß aufzufordern, für den Verkauf von Produkten aus der Warengruppe 'G.' die von (der Schuldnerin) in der Preisliste empfohlenen Verkaufspreise einzuhalten", und versprach dem Gläubiger für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 20.000 Euro.
Mit der Behauptung, der Verkaufsleiter der Schuldnerin W. habe, als er von ihm am 27.5.2002 auf Lieferungsverzögerungen angesprochen worden sei, angegeben, Kunden, die die Preise nicht einhielten, würden nicht mehr beliefert, hat der Gläubiger, nachdem das LG über seine Behauptungen Beweis erhoben hat, die Festsetzung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 10.000 Euro erwirkt. Der unter dem 10.9.2002 ergangene Beschluss wurde der Schuldnerin am 18.9.2002 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin am 1.10.2002 "sofortige Beschwerde" eingelegt, der das LG durch Beschluss vom 15.11.2002 nicht abgeholfen und die es dem KG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Auf den Antrag der Schuldnerin hat das LG die von ihm erlassene einstweilige Verfügung mit Rücksicht auf die Verpflichtungserklärung der Schuldnerin wegen veränderter Umstände durch Urteil vom 9.1.2003 aufgehoben. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden.
II. Die nach § 793 ZPO gegen den landgerichtlichen Beschluss statthafte und auch im Übrigen zulässige, insb. gem. § 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Schuldnerin gegen das gegen sie durch die einstweilige Verfügung angeordnete Unterlassungsgebot verstoßen hat. Der Senat hat den Ordnungsgeldbeschluss schon deswegen aufzuheben, weil der Titel, auf dessen Grundlage er ergangen ist, zwischenzeitlich auf Grund von Umständen aufgehoben wurde, die zum Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung schon vorlagen.
Wird nach Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses der Unterlassungstitel aufgehoben, ist ein ergangener Ordnungsmittelbeschluss grundsätzlich aufzuheben. Ist die Sache wegen eines eingelegten Rechtsbehelfs beim Beschwerdegericht anhängig, hat dieses den Beschluss jedenfalls grundsätzlich schon deswegen aufzuheben, weil der zugrunde liegende Titel nach Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses aufgehoben worden ist (vgl. OLG Frankfurt JurBüro 1982, 465; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rz. 27; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 890 Rz. 25; jetzt auch Teplitzky, Wettbewerbsrecht, Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., § 57 Rz. 38).
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die vorzitierte Auffassung dazu führt, dass der Verstoß des Schuldners gegen ein gerichtlich angeordnetes Verbot sanktionslos bleibt, wenn das Verbot erst nach der Zuwiderhandlung und sei es aus Gründen, die erst nach der Zuwiderhandlung eingetreten sind, aufgehoben wird (vgl. KG v. 1.4.1980 - 5 W 249/80, WRP 1980, 696 ff., das das Fortbestehen des Titels zum Zeitpunkt der Verhängung des Ordnungsmittels fordert). Mit Blick auf die Sühnefunktion, die der Verhängung von Ordnungsmitteln zukommt (so ausd...