Leitsatz (amtlich)
Nur die Einweisungen in den "Geschlossenen Jugendwerkhof (GJWH) Torgau" waren unabhängig von den Gründen für die Anordnung regelmäßig mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Der Beschluß des Senats vom 15. Dezember 2004 - 5 Ws 169/04 REHA - (ZOV 2005, 289 = NJ 2005, 469) läßt sich auch dann nicht auf einen der anderen Jugendwerkhöfe der ehemaligen DDR übertragen, wenn die tatsächlichen Unterbringungsverhältnisse denen in Torgau gleichkommen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 20.02.2006; Aktenzeichen (551 Rh) 3 Js 388/05 (192/05)) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen, ihm für seine Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Rehabilitierungskammer - vom 20. Februar 2006 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts J... K..., ...straße 107a, zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den vorbezeichneten Beschluß wird verworfen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Notwendige Auslagen werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 1, Abs. 4 StrRehaG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Gründe
Der Betroffene begehrt die strafrechtliche Rehabilitierung im Hinblick auf seine Einweisung in den Jugendwerkhof Gerswalde-Suckow (nicht: Geerswalde-Sukow) in der Uckermark in der Zeit vom 15. April 1975 bis zum 30. November 1976, wo er nach einem Fluchtversuch in die "geschlossene Abteilung für Schwererziehbare" dieses Jugendwerkhofs eingeliefert worden sei. Seinem Vorbringen zufolge sei das (wahrscheinlich, vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 3. Juni 2005) von dem Ministerium für Volksbildung, Abteilung Jugendhilfe, Sektor Heimerziehung der ehemaligen DDR angeordnet worden, das seinen Sitz in Berlin (Ost) hatte. Die Einweisungs- und Verfahrensakten sind unauffindbar geblieben. Wegen des weiteren antragsbegründenden Vorbringens verweist der Senat auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluß. Die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Berlin hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde (§ 13 Abs. 1 StrRehaG), hat ebenso wie sein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittel keinen Erfolg.
I.
Prozeßkostenhilfe wird im Rehabilitierungsverfahren unter denselben Voraussetzungen gewährt wie im Verfahren nach der ZPO (§ 7 Abs. 4 Satz 4 StrRehaG). Der Antrag war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den nachfolgend unter II. aufgeführten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO).
Das Prozeßkostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern den Zugang dazu ermöglichen; daher darf die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht in das Prozeßkostenhilfeverfahren vorverlagert werden (vgl. Senat, Beschluß vom 22. März 2006 - 5 Ws 70/06 Vollz -; Fischer in Musielak, ZPO 4. Auflage, § 114 Rdn. 20). Insbesondere ist die Durchentscheidung schwieriger und ungeklärter Rechtsfragen im Prozeßkostenhilfeverfahren wegen der damit verbundenen Benachteiligung unbemittelter Rechtsschutzsuchender verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfG NJW 2000, 1936, 1937). Gleichwohl war vorliegend die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geboten. Denn die Rechtslage ist eindeutig, und die Beschwerde wirft keine Rechtsfrage auf, die eine Klärung erforderte.
II.
1.
a)
Es ist obergerichtlich geklärt, daß es sich bei Einweisungen in einen Jugendwerkhof durch die Jugendgerichte, den Jugendhilfeausschuß, den Rat des Kreises oder das Ministerium für Volksbildung um behördliche Entscheidungen im Sinne des § 2 StrRehaG handelt, die einer Rehabilitierung grundsätzlich zugänglich sind. Denn mit der Einweisung in einen Jugendwerkhof ist eine Freiheitsentziehung im weiteren Sinne angeordnet worden (vgl. OLG Naumburg OLG-NL 1996, 70-71 = NJ 1996, 157 = VIZ 1996, 303; Senat ZOV 2005, 289 = NJ 2005, 469; VIZ 1997, 663; Beschluß vom 27. Mai 2003 - 5 Ws 102/03 REHA -).
b)
Das Landgericht hat auch seine Zuständigkeit im Ergebnis zu Recht angenommen. Zwar ist es sehr zweifelhaft, daß die Vermutung des Antragstellers zutrifft, die Einweisung des Betroffenen sei vom Ministerium für Volksbildung angeordnet worden. Wie unter II. 1 ausgeführt, wies nicht nur das Ministerium für Volksbildung die Jugendlichen in die aufgrund von § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Anordnung über die Spezialheime der Jugendhilfe vom 22. April 1965 (GBl. DDR II 1965, 368) errichteten Jugendwerkhöfe ein. Das ist dem Senat aus der Befassung mit Jugendwerkhöfen betreffenden Rehabilitierungssachen bekannt und folgt auch aus § 5 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 der vorbezeichneten Anordnung, in denen die Jugendwerkhöfe den Räten der Bezirke unterstellt sind und auch die Entlassung den örtlichen Organen der Jugendhilfe zugewiesen ist. Die bei dem Ministerium für Volksbildung ressortierende Zentralstelle für Spezialheime der Jugendhilfe hatte übergeordnete Aufgaben (§ 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1). Diese Sonderzuständigkeit, auch die Aufnahme im Einzelfall anzuordnen, hatte sich das Ministerium in § 2 Abs. 3 Satz 4 ausschließlich für den Geschlo...