Normenkette
ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3; BGB § 269
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 228 C 286/02) |
Tenor
Die Sache wird gem. § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Ist der Erfüllungsort für Honoraransprüche aus Anwaltsvertrag auch nach der Wandlung des Berufsbildes des Rechtsanwalts noch immer die Kanzlei des Rechtsanwalts?
Gründe
I. Die Kläger sind eine in Berlin (Amtsgerichtsbezirk Charlottenburg) ansässige Sozietät aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und vereidigten Buchprüfern. Sie nehmen die Beklagten nach erbrachter außergerichtlicher Beratungstätigkeit auf Zahlung von Gebühren nach der BRAGO in Anspruch und haben deshalb Klage beim AG Charlottenburg erhoben. Das AG Charlottenburg hat die Kläger durch Verfügung vom 9.9.2002 unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des LG Berlin (LG Berlin v. 2.5.2001 – 54 S 28/01, NJW-RR 2002, 207) und des LG München (LG München v. 5.7.2001 – 13 S 8763/01, NJW-RR 2002, 206) auf seine örtliche Unzuständigkeit mit der Begründung hingewiesen, dass der Erfüllungsort für Anwaltshonorar der Wohnsitz bzw. Geschäftssitz des Mandanten zum Zeitpunkt der Mandatserteilung sei und nicht der Kanzleiort des Rechtsanwalts.
Die Kläger haben daraufhin beim KG den Antrag gestellt, das AG Charlottenburg, hilfsweise das AG Tiergarten, oder ein anderes Gericht als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
II. Das KG ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als das nächst höhere Gericht dazu berufen, das zuständige Gericht zu bestimmen. Nachdem das AG Charlottenburg seine Zuständigkeit gem. § 29 ZPO verneint hat, wollen die Kläger nunmehr – jedenfalls hilfsweise – die Beklagten als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagen.
III. Der Senat möchte auf den Hilfsantrag der Klägerin das AG Schöneberg als das für den Wohnsitz des Beklagten zu 2) zuständige Gericht gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO bestimmen. Er hält die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gegeben, weil – siehe dazu unten 1. – ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts insb. nach § 29 ZPO – für beide als Gesamtschuldner in Anspruch genommenen Beklagten nicht besteht. Er sieht sich an einer entspr. Zuständigkeitsbestimmung jedoch durch Entscheidungen jedenfalls des BayObLG (BayObLG v. 7.11.2000 – 4Z AR 118/00, NJW-RR 2001, 928; v. 14.10.2002 – 1Z AR 140/02, MDR 2003, 480 = NJW 2003, 366), des OLG Hamburg (BRAK-Mitt. 2002, 44) und des OLG Köln (OLG Köln v. 29.10.1996 – 5 W 74/96, OLGReport Köln 1997, 11 = NJW-RR 1997, 825) gehindert, in denen die Rechtsauffassung vertreten wird, dass für anwaltliche Honorarklagen der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gem. § 29 ZPO am Kanzleisitz des Rechtsanwalts gegeben ist – s. dazu unten 2.
1. Der beschließende Senat hält angesichts der Wandlung des Berufsbildes des Rechtsanwalts seit der Entscheidung des BGH vom 31.1.1991 (BGH v. 31.1.1991 – III ZR 150/88, MDR 1991, 800 = NJW 1991, 3095) die Auffassung, dass nach § 269 BGB Ansprüche aus einem Anwaltsvertrag auf Zahlung des Honorars am Ort der Kanzlei des Rechtsanwalts als Leistungsort zu erfüllen sind, nicht mehr für zutreffend.
a) Rechtliche Bedenken gegen die Annahme eines solchen einheitlichen Erfüllungsorts für Honorarforderung der Rechtsanwälte sind ohnehin schon seit langem geltend gemacht worden:
Honorarforderungen der Rechtsanwälte sind, wie Geldschulden schlechthin, gem. §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB am Wohnsitz respektive Geschäftssitz des Schuldners zu erfüllen. Es ergibt sich weder aus der Natur des Anwaltsvertrages noch aus der Verkehrssitte, dass sich der Erfüllungsort für die Zahlungsverpflichtung des Mandanten in den Kanzleiräumen des Rechtsanwalts befindet.
Der Senat folgt damit der Meinung, die sich in jüngster Zeit in Rspr. und Lit. zu dieser Frage gebildet hat (LG Berlin v. 2.5.2001 – 54 S 28/01, NJW-RR 2002, 207; LG Frankfurt v. 3.4.2001 – 2/15 S 244/00, NJW 2001, 2640; LG München v. 5.7.2001 – 13 S 8763/01, NJW-RR 2002, 206; AG Spandau NJW 2000, 1654; Prechtel, NJW 1999, 3617; Einsiedler, NJW 2001, 1549; Matthias Schmid, MDR 1993, 410). Die Annahme, es gebe einen einheitlichen Erfüllungsort am Ort der Sachleistung des Dienstvertrages, weil diese den Schwerpunkt des Vertrages darstelle, lässt sich aus dem Gesetz nicht begründen. Sie widerspricht vielmehr dem Charakter des gegenseitigen Vertrages, in dem sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen. Ausfluss dieses Verhältnisses ist es, dass der Leistungsort gem. § 269 BGB für jede Leistungspflicht des Vertrages besonders festzustellen ist (BayObLG v. 14.1.1997 – 1Z AR 94/96, NJW-RR 1997, 699; Palandt, BGB, 62. Aufl., § 269 Rz. 7).
b) Wenn der BGH in seiner Entscheidung vom 31.1.1991 (BGH v. 31.1.1991 – III ZR 150/88, MDR 1991, 800 = NJW 1991, 3095 [3096]; s. dazu auch BGH v. 29.1.1986 – IVb ZR 8/85, BGHZ 97, 79 [82] = MDR 1986, 483) und im Übrigen auch der beschließende Senat bei seinen bisherigen Entscheidungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gleichwohl von einem einheitlichen Erfüllungs...