Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung der Zwangsvollstreckung im Berufungsverfahren
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 01.09.2004; Aktenzeichen 29 O 14/03) |
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der Zivilkammer 29 des LG Berlin vom 1.9.2004 - 29 O 14/04 - wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Berufung ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
Gründe
Die Berufungskläger haben durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Berufungsklägers zu 2) vom 27.9.2004 glaubhaft gemacht, dass ihnen sowohl im Fall der zwangsweisen Räumung ihres Geschäftslokals als auch im Fall der Vollstreckung aus dem Tenor des angefochtenen Urteils zu 2) (Zahlung) ein nicht zu ersetzender Nachteil i.S.d. § 707 ZPO droht und sie zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage sind. Das Geschäftslokal stellt die einzige Einnahmequelle der Berufungskläger dar, so dass im Fall der Räumung ihre wirtschaftliche Existenz bedroht wäre.
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung scheidet entgegen der Auffassung der Berufungsbeklagten auch nicht deshalb aus, weil die Berufungskläger in der I. Instanz keinen Antrag nach § 712 ZPO gestellt haben. Zwar wird in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise auch eine andere Auffassung vertreten (vgl. OLG Koblenz v. 22.12.1998 - 11 UF 1301/98, FamRZ 2000, 1165; sowie die Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 711 Rz. 3). Gegen ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen dem Antrag nach §§ 707, 719 ZPO und demjenigen nach § 712 ZPO spricht jedoch, dass beide Regelungen unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen und infolgedessen verschiedene Voraussetzungen haben. Während § 712 ZPO den Schutz des Schuldners vor nicht zu ersetzenden Vollstreckungsnachteilen im Auge hat, kommt es für die Entscheidung nach §§ 707, 719 ZPO entscheidend auf die Frage der Erfolgsaussicht der Berufung an, während ein drohender unersetzlicher Nachteil lediglich für die Modalitäten der Einstellung von Bedeutung ist (KG v. 6.6.2000 - 5 U 1112/00, MDR 2000, 1455 = KGReport Berlin 2000, 358; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 30.12.1986 - 1 U 212/86, MDR 1987, 415; OLG Jena v. 26.10.2001 - 4 U 234/01, MDR 2002, 289; sowie Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 719 Rz. 3).
Die Rechtsprechung des BGH (BGH v. 31.10.2000 - XII ZR 3/00, NJW 2001, 375; NJW-RR 2000, 1650) zu § 719 Abs. 2 ZPO ist auf das Verfahren im Berufungsrechtszug nicht übertragbar. Denn § 719 Abs. 2 ZPO regelt ausdrücklich und unter strengeren Voraussetzungen als § 707 Abs. 1 ZPO den Sonderfall einer Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Revisionsinstanz (KG v. 6.6.2000 - 5 U 1112/00, MDR 2000, 1455 = KGReport Berlin 2000, 353 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1262239 |
MDR 2005, 117 |
KG-Report 2005, 111 |
NJOZ 2005, 771 |