Leitsatz (amtlich)

Ist über die Klage gegen die Zurückweisung eines erneuten Asylantrags (Folgeantrag) durch das Verwaltungsgericht noch nicht abschließend entschieden worden, kann gleichwohl in einem personenstandsrechtlichen Verfahren ein im Inland ausgestellter Reiseausweis für Ausländer auch im Zusammenhang mit sonst ermittelten Indizien - z.B. heimatstaatlichen Urkunden - zum Nachweis der Identität des Ausländers ungeeignet sein.

Befürchtet der Ausländer bei Bemühungen um die Ausstellung eines heimatstaatlichen Reisepasses Nachteile für die Entscheidung über seinen Asylfolgeantrag, rechtfertigt dies keine Absenkung der Nachweisanforderungen im personenstandsrechtlichen Verfahren.

 

Normenkette

AsylG §§ 71-73, 73b; AufenthG § 4; PStG §§ 9, 21, 48; PStV §§ 33, 35

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 71g III 117/20)

 

Tenor

Die Beschwerde wird bei einem Wert in Höhe von 5.000,00 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht bei dem Amtsgericht erhoben worden, §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG, 51 Abs. 1 PStG.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Berichtigung des im Beschlusseingang bezeichneten Geburtenregistereintrags im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Auch der Senat ist von der Identität der Beteiligten zu 2 nicht mit der erforderlichen Sicherheit (vgl. BGH, NJW 2017, 3152; Senat, Beschluss vom 26. Februar 2019 - 1 W 561-564/17 - FamRZ 2019, 685) überzeugt. Dann aber muss es bei den bei Beurkundung der Geburt erfolgten einschränkenden Vermerken zur Identität der Beteiligten zu 2 und zur Namensführung des Kindes, vgl. § 35 Abs. 1 S. 1 PStV, verbleiben. Eine Anordnung auf Berichtigung der Registereinträge, § 48 PStG, scheidet aus.

a) Eintragungen in den Personenstandsregistern werden u.a. aufgrund von Einträgen in anderen Personenstandsregistern, Personenstandsurkunden oder sonstigen öffentlichen Urkunden vorgenommen, § 9 Abs. 1 PStG. Dementsprechend soll das Standesamt bei der Anzeige der Geburt eines Kindes die Vorlage von Geburtsurkunden der Eltern sowie ihrer Personalausweise, Reisepässe oder anderer anerkannter Passersatzpapiere verlangen, § 33 S. 1 PStV, um im Geburtenregister deren Vor- und Familiennamen beurkunden zu können, § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG. Diese für das behördliche Verfahren vorgeschriebenen Beweisanforderungen hat auch das Gericht im Rahmen des Verfahrens nach § 48 PStG zu beachten, ohne aber auf solche Beweismittel beschränkt zu sein (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2023 - XII ZB 155/20 - juris).

b) Die von den Eltern zu verlangenden Personaldokumente - Personalausweis, Reisepass oder andere anerkannte Passersatzpapiere - dienen dabei dem Nachweis, dass die von ihnen beanspruchten Personalien ihnen tatsächlich auch zuzuordnen sind (Senat, Beschluss vom 4. Januar 2018 - 1 W 190-191/17 - StAZ 2018, 379).

aa) Ein ohne Einschränkung zur Identität seines Inhabers, vgl. § 4 Abs. 6 AufenthV, ausgestellter Reiseausweis für Ausländer bzw. Flüchtlinge nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 AufenthG ist ein anerkanntes Passersatzpapier in diesem Sinne (BGH, NJW 2017, 3152). Einem solchen Ausweis kann aber keine dem vom Heimatstaat des Betroffenen ausgestellten Personalausweis oder Reisepass entsprechende Beweiswirkung zugemessen werden. Ein hinreichender Identitätsnachweis kann der im Inland ausgestellte Reiseausweis nur sein, wenn sonstige Umstände für die Richtigkeit der Personenangaben sprechen (BGH, a.a.O., 3153).

So war es in dem Verfahren vor dem Senat zu 1 W 156/19 betreffend das ältere Kind der Beteiligten zu 1 und 2. Die Beteiligte zu 2 konnte einen Reiseausweis für Flüchtlinge vorlegen, der gemeinsam mit weiteren Urkunden dem Senat die Überzeugung von ihrer Identität vermittelte.

bb) Hingegen hat der Senat in seiner damaligen Entscheidung vom 16. Januar 2020 bereits darauf hingewiesen, dass zur Identitätsfeststellung ein Rückgriff auf einen in Deutschland ausgestellten Reiseausweis für Ausländer in Verbindung mit sonst ermittelten Indizien nicht in Betracht kommt, wenn die betreffende Person einen heimatstaatlichen Reisepass als das vom Gesetz primär vorgesehene Beweismittel vorlegen könnte (vgl. bereits zuvor Senat, Beschluss vom 19. September 2019 - 1 W 230/19 - StAZ 2020, 347, Beschluss vom 25. Januar 2022 - 1 W 18-19/21 - StAZ 2022, 104).

(1) Wegen des damals noch nicht abgeschlossenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin, mit dem die Beteiligten zu 1 und 2 ihre - von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnte - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anstrebten, hielt der Senat es hingegen nicht für zumutbar, von der Beteiligten zu 2 die Beschaffung eines heimatstaatlichen Passes zu verlangen.

Nach damaligem Recht erlosch die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staat...

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