Leitsatz (amtlich)
Das nicht eindeutig bezeichnete Rechtsmittel ist selbst dann als Berufung zu behandeln, wenn es inhaltlich den Anforderungen einer Revisionsbegründung entspricht (hier: Rüge der “Verletzung materiellen Rechts„), die Wahl der Revision aber nicht erklärt ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 12.04.2018; Aktenzeichen (302 Ds) 285 Js 4159/17 (72/17)) |
Tenor
1. Der Senat ist für die Entscheidung über das vom Angeklagten eingelegte unbestimmte Rechtsmittel gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. April 2018 nicht zuständig.
2. Die Sache wird an das zuständige Landgericht Berlin abgegeben.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 12. April 2018 wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger am 19. April 2018 "Rechtsmittel" eingelegt und die "Verletzung materiellen Rechts" beanstandet. Das Rechtsmittel ist in der Folge nicht begründet worden, (Revisions-) Anträge sind nicht angebracht worden. Das Landgericht hat das Rechtsmittel gleichwohl als Revision bewertet und die Akten dem Kammergericht zur Entscheidung zugeleitet.
1. Der Senat ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel nicht zuständig, denn es ist als Berufung vor dem Landgericht Berlin (§ 74 Abs. 3 GVG) durchzuführen.
Das angegriffene Urteil unterlag grundsätzlich sowohl der Berufung als auch der Sprungrevision (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte konnte es deshalb zunächst in unbestimmter Form anfechten. Seinem Wesen nach war dieses unbestimmte form- und fristgerechte Rechtsmittel (§§ 314 Abs. 1, 335 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO) von Anfang an eine Berufung (vgl. BGHSt 33, 183 mwN; KG, Beschluss vom 14. Oktober 2015 - 4 Ss 199/15 - bei juris). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Verteidiger bei der Rechtsmitteleinlegung die "Verletzung materiellen Rechts" gerügt hat. Denn es ist anerkannt, dass das nicht eindeutig bezeichnete Rechtsmittel selbst dann als Berufung zu behandeln ist, wenn es inhaltlich den Anforderungen einer Revisionsbegründung entspricht, die Wahl der Revision aber nicht erklärt ist (vgl. BayObLG DAR 1983, 254 bei Rüth; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 335 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier, denn der Angeklagte hat innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§§ 345 Abs. 1, 43 Abs. 2 StPO) keine der Form des § 341 Abs. 1 StPO entsprechende Erklärung zur Rechtsmittelwahl abgegeben. Damit verbleibt es bei der Berufung.
2. In entsprechender Anwendung des § 348 Abs. 1, Abs. 2 StPO (vgl. KG, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 5 Ss 8/14 - und vom 14. Oktober 2015 - 4 Ss 199/15 - bei juris; BayObLG wistra 2001, 279 mwN) hatte sich der Senat für unzuständig zu erklären, das Landgericht Berlin als das für die Durchführung der Berufung des Angeklagten zuständige Gericht zu bezeichnen und die Sache dorthin abzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 12519332 |
ZAP 2019, 237 |
BerlAnwBl 2019, 77 |
StRR 2019, 3 |