Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bemessung des Streitwerts, wenn ein offenbar nur versehentlich erfolgter Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 PAngV gerügt wird.

2. Ist eine Sache nach Art und Umfang einfach gelagert, so rechtfertigt das im Regelfall eine Minderung des an sich zu veranschlagenden Streitwerts für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch um die Hälfte.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 07.08.2006; Aktenzeichen 103 O 143/06)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird die Wertfestsetzung in Nr. 3 des Beschlusses der Kammer für Handelssachen 103 des LG Berlin vom 7.8.2006 - 103 O 143/06 - geändert:

Der Verfahrenswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts auf 20.000 EUR mit dem Ziel der Herabsetzung eingelegte Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gestritten wurde in einem wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren wegen nicht erfolgter Hinweise auf etwa zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten sowie auf den Charakter der Preise als Endpreise einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile in einer Internet-Werbung für im Fernabsatz zu vertreibende Fotoapparate nebst Zubehör. Die Antragstellerin gehört zur M.M./S.-Gruppe und betreibt ein Einzelhandelsgeschäft in Berlin-Wedding. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und hat seit ihrem Bestehen 2004 bis Juni 2006 Umsätze von ungefähr 15.000 EUR und einen Gewinn i.H.v. 1.755 EUR erzielt.

2. Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung von Wettbewerbsverletzungen gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insb. seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber anhand des ihm drohenden Schadens (wie Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) bestimmt. Dabei sind u.a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer und dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, MarktsteIlung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, insb. durch die bereits begangene Verletzungshandlung) und die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen (vgl. zu Vorstehendem BGH v. 26.4.1990 - I ZR 58/89, MDR 1990, 986 = GRUR 1990,1052, 1053 - Streitwertbemessung; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 UWG Rz. 5.3, m.w.N.).

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Angabe des Streitwerts in der Klage- bzw. Antragsschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (vgl. Senat KG-Report 1998, 170, 171).

Vorstehende Grundsätze gelten entsprechend für Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der neueren Rechtsprechung des Senats der Verfahrenswert regelmäßig mit zwei Dritteln eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens bemessen werden kann (vgl. zur Begründung im Einzelnen KG v. 26.11.2004 - 5 W 146/04, KGReport Berlin 2005, 208 = WRP 2005, 368, m.w.N.).

3. Vorstehende Grundsätze hat das LG seinen Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 4.10.2006 zufolge zwar zum Ausgangspunkt auch seiner Bemessung gemacht. Auch hat die Antragstellerin verfahrenseinleitend den Wert mit sogar 30.000 EUR angegeben, was das LG als Angabe für ein Hauptsacheverfahren, verstanden hat, mithin hier 20.000 EUR als Angabe der Antragstellerin für das Eilverfahren veranschlagt hat. Dieser Wert ist aber unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falls deutlich übersetzt. Der Verfahrenswert ist deshalb angemessen auf zunächst 10.000 EUR und - in Anwendung von § 12 Abs. 4 Alt. 1 UWG - weiter gehend auf 5.000 EUR herabzusetzen.

4. Bei Betrachtung der in Rede stehenden Internet-Werbung der Antragsgegnerin (Anlagen JS 1 und JS 2) spricht nichts dafür, dass hier vorsätzlich gegen die - einem "Anfängerkaufmann" nicht immer bis ins letzte Detail bekannte - Preisangabenverordnung verstoßen wurde, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass der Antragsgegnerin, die glaubhaft gem...

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