Leitsatz (amtlich)

1. Enthält das nach dem Submissionsergebnis als wirtschaftlichstes erscheinende Angebot vergleichsweise stark auf- oder abgepreiste Einheitspreise, indiziert das spekulative Interessen des Bieters; ein ausreichender Grund, das Angebot ohne weiteres wegen unvollständiger Preisangaben oder wegen Unzuverlässigkeit des Bieters auszuschließen, liegt darin nicht.

2. Ob das Ausmaß der spekulativen Risiken und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung die Wirtschaftlichkeit eines solchen Angebots ernstlich infrage stellen, ist durch eine Prognoseentscheidung zu ermitteln, bei der naturgemäß kein rechnerisch exakter Nachweis seiner wirtschaftlichen Nachrangigkeit geführt werden muss. Das gilt insb., wenn sich einzelne Risiken nur in bestimmten Spannweiten abschätzen lassen, weil verschiedene Kausalverläufe in Betracht kommen. Der Auftraggeber braucht bei derartigen Ungewissheiten nicht zu Gunsten des spekulierenden Bieters seine Hoffnung darauf zu setzen, dass die möglichen Nachforderungen die vordergründige Preiswürdigkeit des Angebots nicht gefährden werden (Ergänzung zu KG, Beschl. v. 26.2.2004 – 2 VERG 16/03).

3. Die Entscheidung, ob der Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens dem Beigeladenen dessen in erster Instanz entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, ist weiterhin durch entsprechende Heranziehung von § 162 Abs. 3 VwGO zu treffen.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 12.11.2003; Aktenzeichen VK-B 2-24/03)

 

Tenor

Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerin und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2.Vergabekammer des Landes Berlin, Beschlussabteilung, vom 12.11.2003 – VK – B 2 – 24/03 – werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten und hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen deren im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.

 

Gründe

A. Der Antragsgegner betreibt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Bau des Autobahnzubringers Dresden BAB A 113 (neu). Zum 23. Bauabschnitt gehören u.a. die Lose 4 – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung des Tunnels „Rudower Höhe” (BW TRH50) und 4 A und B – Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Stützbauwerke im Einschnitt „Rudower Höhe” (BW TRH60) sowie Tiefbau/Ingenieurbau zur Herstellung der Fußgängerbrücke Gerosteig (TRH20).

Das vorliegende Nachprüfungsverfahren betrifft das Los 4. Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung eines wertungsfähigen Preisnachlasses das billigste Angebot abgegeben (netto rd. 17.489.343 Euro). Nach Schriftwechsel und Aufklärungsgesprächen hat der Antragsgegner die Antragstellerin durch Informationsschreiben gem. § 13 VgV darüber informiert, dass ihr der Zuschlag nicht erteilt werden soll, sondern die Beigeladene, die das in der preislichen Reihenfolge drittbeste Angebot mit einem Netto-Preis von rd. 18.538.259 Euro abgegeben hat. Zur Begründung ist in dem Schreiben ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und dessen Angemessenheit habe anhand der eingereichten Preisermittlungsunterlagen nicht aufgeklärt werden können. Das Angebot werde wegen § 24 Abs. 2 VOB/A nicht berücksichtigt.

In der Sache geht es bei dem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin in erster Linie darum, dass die Antragstellerin bei mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses Einheitspreise eingesetzt hat, die von den durchschnittlichen Einzelpreisen aller Bieter akzentuiert entweder nach oben oder nach unten abweichen.

Bei den aufgepreisten Positionen konzentrieren die Vorwürfe des Antragsgegners sich auf die Position „Baustelleneinrichtung”, auf die Möglichkeit der Beeinflussung der Mengen durch technische Bearbeitung bei den Positionen 1.17.120. 1.17.130 und 1.17.140 (Rückbiegeanschlüsse zum konstruktiven Anschluss des Ortbetonsockels), auf Mängel in der Mengenermittlung bei der Position 1.18.20, auf eine so genannte Textspekulation bei der Position 1.18.30 und schließlich auf die stark aufgepreiste Position 1.22.90, die in technisch-funktionellem Zusammenhang zu den vorangegangenen Positionen 1.22.60–80 zu sehen ist. In der horizontalen Arbeitsfuge zwischen Schlitzwand und Tunneldecke wird zur Abdichtung gegen Schichtwasser ein Abdichtungsband verlegt (Position 1.22.60). Zusätzlich ist für diese Arbeitsfuge ein Injektionskanal mit Stützspirale und Ummantelung und mit Verpress- und Entlüftungsleitungen aus PE-Schlauch für die Verpressung mit Kunstharz, einbaufertig vorkonfektioniert, zu liefern und einzubauen (Position 1.22.70). Umstritten ist die Position 1.22.90 i.V.m. der Position 1.22.80. Die Leistungsbeschreibung lautet insoweit:

1.22.80. Injektionskanal System Jetko oder gleichwertiger Art, nach Bedarf und besonderer Anweisung des AG mit PU 2-Komponenten-Harz, dauerelastisch, bis zur Druckkonstanz mit 2-K-Injektionsanlage mit Innenmischung (Static-Mixer) verpressen.

Der Materialverbrauch mit 0,3 l/m für die Füllung des Kanals und 1,0 l/m für Harzaustritt wird nach gesonderter Position abgerechnet.

Abger...

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