Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung, ob ein Volljähriger in der Lage ist, einen freien Willen zu äußern, kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts bzw. des Beschwerdegerichts an. Hat sich der Volljährige zu einem früheren Zeitpunkt gegen eine Betreuung ausgesprochen, steht dies allein einer Betreuerbestellung nicht entgegen, weil es sich nicht um eine Vorsorgemaßnahme im Sinne von § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB handelt.
2. Besteht ein berechtigter Grund zu der Annahme, dass ein Bevollmächtigter die ihm erteilte Vorsorgevollmacht in erster Linie eigennützig verwendet, kann ein Betreuer bestellt werden. Ein Vorsorgeüberwachungsbetreuer muss nicht bestellt werden, wenn der Bevollmächtigte auch als Betreuer nicht zu bestellen wäre.
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 52 XVII D 716) |
LG Berlin (Aktenzeichen 87 T 335/08) |
LG Berlin (Aktenzeichen 87 T 95/08) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist der Beschluss des Landgerichts vom 26. Juni 2009 soweit darin die im Namen des Betroffenen erhobenen Beschwerden gegen die Betreuerbestellung vom 18. März 2009 und die Zurückweisung des Antrags vom 14. Juli 2008 auf Entlassung des Beteiligten zu 1 als Betreuer zurückgewiesen worden sind (87 T 95 und 335/08 = 1 W 213 und 214/09). Die Rechtsmittel richten sich nicht gegen die Verlängerung der vorläufigen Betreuerbestellung vom 5. März 2008 (87 T 74/08 = 1 W 212/09). Rechtsanwalt S### hat dies ausdrücklich klargestellt und Rechtsanwalt S### ist überhaupt nur im Verfahren über die Entlassung des Betreuers mandatiert. Zwar hat sich Rechtsanwalt L### insoweit nicht ausdrücklich erklärt. Er strebt aber die Aufhebung der Betreuung und hilfsweise einen Wechsel des Betreuers an, was jeweils nicht mehr Gegenstand des in der Hauptsache erledigten Beschwerdeverfahrens der vorläufigen Betreuerbestellung sein kann.
II. Die weiteren Beschwerden sind zulässig, insbesondere formgerecht durch die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG. Es finden die bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, weil die dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden sind, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG (OLG Köln, FGPrax 2009, 240; 2009, 241 mit Anm. Sternal; OLG Schleswig, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09-, Juris; OLG Dresden, Beschluss v. 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - Juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - Juris; OLG Düsseldorf, MDR 2009, 1352; BT-Drs. 16/6308, S. 359; Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl., Art. 111 FGGRG, Rdn. 4; a.A. Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rdn. 5).
III. Die weiteren Beschwerden sind unbegründet. Die Bestätigung der Betreuerbestellung (hierzu nachfolgend zu 1.) und die Zurückweisung des Entlassungsantrags (hierzu nachfolgend zu 2.) beruhen nicht auf einer Verletzung des Rechts, worauf die Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde beschränkt ist, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.
1. Gemäß § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB bestellt das Vormundschaftsgericht für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn dieser auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Ein Betreuer darf nur für die Angelegenheiten bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, d.h. in denen der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (BayObLG, FamRZ 2001, 1244 f.). Gemäß § 1896 Abs. 1a BGB darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Das bedeutet, dass dann, wenn der Betroffene unbeeinflusst von einer Krankheit oder Behinderung seinen Willen bilden und nach zutreffend gewonnener Einsicht handeln kann, ihm keine von ihm abgelehnte Betreuung aufgezwungen werden darf, selbst wenn sie für ihn objektiv vorteilhaft wäre (Knittel/Seitz, BtPrax 2007, 18, 19). Die Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen, wobei keine überspannten Anforderungen an seine Auffassungsgabe zu stellen sind (BT-Drs. 15/2494, S. 28). Der Ausschluss der freien Willensbestimmung muss durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896, Rdn. 13; Knittel/Seitz, aaO., 20). Das Landgericht hat in tatsächlicher Hinsicht ohne Rechtsfehler und damit für den Senat bindend, vgl. § 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO, das Vorliegen dieser Voraussetzungen festgestellt.
a) Das Landgericht hat ausgeführt, der Betroffene leide an einem dementiellen Prozess, auf Grund dessen er seine Angelegenheiten im Bereich der Vermögenssorge nicht selbst besorgen und bezüglich der Einrichtung einer Betreuung keinen freie...