Tenor
1. Auf die Erinnerungen der Rechtsanwälte R. und K. vom 23.9. und 5.10.2004 werden die Beschlüsse des Kammergerichts - Rechtspflegerin - vom 13. und 27.9.2004 aufgehoben.
2. Die aus der Landeskasse zu erstattende Pflichtverteidigervergütung wird für den Rechtsanwalt R. auf 1.958,26 Euro und für den Rechtsanwalt K. auf 2.485,48 Euro festgesetzt.
3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Erinnerungsführer waren in dem zugrunde liegenden Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a. vor dem 1.7.2004 als Wahlverteidiger für den damaligen Angeklagten tätig und wurden diesem auf ihre Anträge vom 7.7.2004 von dem Vorsitzenden des Senats am gleichen Tage gem. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO als Pflichtverteidiger bestellt. Der damalige Angeklagte wurde am vierten Verhandlungstag zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Mit seinem Antrag vom 3.8.2004 begehrte Rechtsanwalt R., der an drei Hauptverhandlungsterminen teilgenommen hatte, die Festsetzung seiner aus der Landeskasse zu erstattenden Pflichtverteidigervergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vom 5.5.2004 (BGBl. I, 718, in Kraft seit dem 1.7.2004) wie folgt:
Grundgebühr (Nr. 4100 VV): 132,00 Euro
Verfahrensgebühr (Nr. 4118 VV): 264,00 Euro
Terminsgebühr (Nr. 4120 VV): 356,00 Euro
356,00 Euro
356,00 Euro
Reisekosten (Nr. 7004 VV): 168,50 Euro
Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV): 60,00 Euro
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV): 20,00 Euro
Zwischensumme netto 1.712,50 Euro
16 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV): 245,76 Euro
Rechnungsbetrag 1.958,26 Euro.
Mit Schriftsatz vom 5.8.2004 beantragte Rechtsanwalt K., der an allen vier Hauptverhandlungsterminen teilgenommen hatte, folgende Festsetzung nach dem RVG:
Grundgebühr 132,00 Euro
Verfahrensgebühr 264,00 Euro
Terminsgebühren 1.424,00 Euro
Reisekosten 272,20 Euro
Abwesenheitsgeld 60,00 Euro
Pauschale für Aktenübersendung 8,00 Euro
Auslagenpatischale 20,00 Euro
2.180,20 Euro
16 % Mehrwertsteuer 305,28 Euro
2.485,48 Euro.
Mit Beschlüssen vom 13. und 27.9.2004 hat die Rechtspflegerin die Kostenfestsetzungsanträge jeweils in vollem Umfang mit der Begründung zurückgewiesen, es sei altes Gebührenrecht (BRAGO) anzuwenden. Eine Festsetzung nach altem Gebührenrecht hat sie gleichwohl nicht vorgenommen. Mit ihren dagegen eingelegten Erinnerungen begehren die Verteidiger weiterhin die Vergütungsfestsetzung nach dem RVG in der beantragten Höhe.
II.1. Die zulässigen, insb. gem. § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig erhobenen Rechtsmittel haben Erfolg.
Die den Erinnerungsführern aus der Landeskasse zu erstattenden Pflichtverteidigervergütungen sind nach dem neuen Gebührenrecht des RVG zu bemessen. Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG ist altes Gebührenrecht (BRAGO) weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem 1.7.2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Der Senat legt die Übergangsvorschrift des § 61 Abs. 1 RVG dahin aus, dass dann, wenn der Verteidiger vor dem 1.7.2004 bereits als Wahlverteidiger tätig war und an oder nach diesem Stichtag zum Pflichtverteidiger bestellt worden ist, es für die Frage des anzuwendenden Gebührenrechts allein auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung ankommt. Wurde sie am Stichtag oder später vorgenommen, gilt neues, war sie vorher erfolgt, gilt altes Gebührenrecht. Der Gesetzestext des hinsichtlich seiner Anknüpfungsmerkmale mit § 134 Abs. 1 S. 1 BRAGO wortgleichen § 61 Abs. 1 S. 1 RVG lässt sich sowohl in diesem Sinne als auch dahin auslegen, dass die Anknüpfungspunkte der unbedingten Auftragserteilung einerseits und der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung andererseits alternativ nebeneinander stehen, mithin in Fällen wie dem gegebenen, in dem ein Anknüpfungsumstand vor dem Stichtag verwirklicht wurde, altes Gebührenrecht anzuwenden wäre. In Rechtsprechung und Schrifttum wurden und werden angesichts dieser - mit überzeugenden Gründen nicht bestreitbaren - Auslegungsfähigkeit des § 134 Abs. 1 S. 1 BRAGO und des § 61 Abs. 1 S. 1 RVG jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der herrschenden Meinung kommt es allein auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung an, da spätestens mit ihr das Wahlmandat ende und somit nicht mehr als Anknüpfungspunkt zur Verfügung stehe (OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 189; OLG Celle v. 17.1.1995 - 3 ARs 407/94-P 367/94, BRAK 1995, 176 = MDR 1995, 532; OLG Köln StV 1995, 306; OLG Schleswig SchlHA 1989, 80; OLG Koblenz v. 20.11.1987 - 1 Ws 625/87, Rpfleger 1988, 123; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 134 Rz. 15; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 134 Rz. 18, jeweils zum alten Recht; OLG Schleswig, Beschl. v. 30.11.2004 - 1 Ws 423/04; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., § 60 Rz. 32; Burhoff in Burhoff/Kindermann, RVG, Rz. 47...