Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Vorinstanz von der Einbeziehung einer oder mehrerer Geldstrafen in eine Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen, so ist eine Korrektur oder Abänderung der Entscheidung jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn nur der Angeklagte Rechtsmittel eingelegt hat.
2. Dem Berufungsgericht ist es in einem solchen Fall nach § 331 Abs. 1 StPO verwehrt, die gesonderte Geldstrafe nunmehr in eine Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen, da die Freiheitsstrafe grundsätzlich im Verhältnis zur Geldstrafe als das schwerere Übel anzusehen ist. Dies gilt selbst dann, wenn die Höhe der Freiheitsstrafe des ersten Urteils durch die Einbeziehung nicht erreicht wird.
3. Eine Ausnahme gilt nur, wenn feststünde, dass der Angeklagte die Geldstrafe als Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen haben wird oder wenn es an einer bewusst getroffenen Rechtsfolgenentscheidung fehlt, weil das Erstgericht eine gesamtstrafenfähige Verurteilung nicht gekannt oder fehlerhaft eine solche nicht vorgenommen hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 25.11.2019; Aktenzeichen (575) 271 AR 136/18 Ns (99/18)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. November 2019 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Die Gesamtstrafenbildung mit den Geldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Februar 2018 - 263a Cs 26/18 - entfällt.
2. Der Angeklagte wird wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen verurteilt.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 20. Juni 2018 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von 18 Monaten keine Fahrerlaubnis erteilen darf. In dem Urteil hat es das Amtsgericht abgelehnt, die Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Februar 2018 - 263a Cs 26/18 - (20, 25 und 30 Tagessätze zu je 15,00 €; Gesamtgeldstrafe 50 Tagessätze zu je 15,00 €; Tatzeiten: 13. Mai, 25. und 26. Juni 2016) einzubeziehen und damit eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
Die gegen dieses Urteil eingelegte, noch vor der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 25. November 2019 mit der Maßgabe verworfen, dass es den Angeklagten - bei Verhängung einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen - unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Februar 2018 - 263a Cs 26/18 - und unter Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 28. Februar 2020 beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Das Rechtsmittel hat nur im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
II.
Soweit sich das Rechtsmittel mit der allgemeinen Sachrüge gegen die ausgeworfene Einzelfreiheitsstrafe von fünf Monaten und zwei Wochen richtet, ist es nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Die Feststellungen tragen die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB.
Allerdings hat die Strafkammer die Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB ausgesprochen knapp begründet. Da die schriftlichen Urteilsgründe aber eine Einheit bilden (vgl. BGH AfP 78, 103; Senat, Beschluss vom 26. Februar 2020 - [3] 121 Ss 19/20 [9/20] -), kann das Revisionsgericht noch hinreichend deutlich nachvollziehen, welche Kriterien und Umstände für das Landgericht bei der Annahme der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB ausschlaggebend gewesen sind.
Gemäß § 47 Abs. 1 StGB darf eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten statt einer (möglichen) Geldstrafe nur verhängt werden, wenn sie wegen besonderer Umstände entweder in der Tat oder Persönlichkeit des Täters zur Einwirkung auf ihn oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist. Hat der Täter mehrere selbständige Taten begangen, ist die Anwendung des § 47 StGB bereits bei der Bestimmung der Einzelstrafen zu prüfen (BGHSt 24, 164; Senat, Beschluss vom 29. August 2013 - [3] 121 Ss 168/13 [123/13] -; Fischer, StGB 67. Aufl., § 47 Rdn. 3, 4). Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass kurze Freiheitsstrafen nur ausnahmsweise und als letztes Mittel zur Anwendung kommen sollen (ständige Rechtsprechung des Kammergerichts, vgl. Beschluss vom 8. Januar 2013 - [4] 121 Ss 210/12 [333/12] -, juris und Senat, Beschluss vom 29. August 2013 a.a.O.). Sie dürfen nur verhängt werden, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände auf sie nicht verzichtet werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Februar 2...