Normenkette
GKG § 51 Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.08.2020; Aktenzeichen 15 O 307/20) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung der Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird die Wertfestsetzung in Nr. 3 des Beschlusses der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 14. August 2020 - 15 O 307/20 - abgeändert:
Der Wert des Verfahrens für die erste Instanz wird auf 32.666,67 EUR festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 02. September 2020 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erklärt, Beschwerde gegen die landgerichtliche Festsetzung des Verfahrenswertes auf 40.000,00 EUR mit dem Ziel der Heraufsetzung auf 73.333,00 EUR einzulegen.
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch, Verbraucher ohne deren ausdrückliche Einwilligung zum Zwecke der Vermittlung von Energielieferungsverträgen zu kontaktieren und dabei zu behaupten, demnächst werde der Strom um (mindestens) 20 % teurer und es könne dem Verbraucher kein schriftliches Angebot für einen Energielieferauftrag zugesandt werden.
II. 1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist gemäß §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG iVm. § 32 Absatz 2 Satz 1 RVG zulässig. Dabei geht der Senat trotz der nicht eindeutigen Formulierung in der Beschwerdeschrift ("legen wir ... Beschwerde ein") davon aus, dass die Beschwerde namens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erhoben worden ist, da die Antragstellerin selbst mangels eigener Beschwer nicht beschwerdeberechtigt wäre (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VIII ZB 59/11 -, Rn. 6, juris). Denn die Auslegung von Prozesshandlungen orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht, wobei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei festzuhalten ist (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - XII ZB 368/14 -, Rn. 23, juris; Urteil vom 05. Oktober 2010 - VI ZR 257/08 -, Rn. 4, juris).
2. In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg, § 51 Abs. 2 bis Abs. 4 GKG.
a) Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist der Wert in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nach der sich aus dem Antrag des Klägers/Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Für die Bemessung ist somit in erster Linie das wirtschaftliche, eigene Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Anspruchsverwirklichung maßgebend (BGH, Beschluss vom 26. April 1990 - I ZR 58/89 -, Rn. 19, juris - Streitwertbemessung; Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16 -, Rn. 8, juris - Finanzsanierung). Dieses Interesse ist nach der Gefährlichkeit (dem "Angriffsfaktor") der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen. Es hängt insbesondere von den Unternehmensverhältnissen bei dem Verletzer und dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung, Perspektiven), der Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), den Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung), der Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, nachheriges Verhalten, Unterlassungspflichten gegenüber Dritten) sowie der Nachahmungsgefahr ab (vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. September 2002 - 5 W 106/02 -, Rn. 3, juris). Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG ist in wettbewerbsrechtlichen Verfahren der Streitwert angemessen zu mindern, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten/Antragsgegner erheblich geringer zu bewerten ist als der nach Abs. 2 der eben genannten Norm ermittelte Streitwert. Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats dabei zwar die Angabe des Streitwerts in der Klage- / Antragsschrift, denn diese Angabe erfolgt - in der Regel - noch unbeeinflusst vom Ausgang des Verfahrens. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung oft zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 09. April 2010 - 5 W 3/10 -, Rn. 4, juris).
b) Diese Grundsätze geltend entsprechend für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Verfahrenswert gem. § 51 Abs. 4 GKG regelmäßig mit 2/3...