Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 22.10.2004; Aktenzeichen 16 O 611/04) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 22.10.2004 - 16 O 611/04 - geändert:
Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Falle der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an dem jeweiligen Geschäftsführer, untersagt, die nachfolgend abgebildeten graphischen Gestaltungen einer Verpackung, wie in Anlage Ast 3a dem Antrag beigefügt, für Natursalz zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten: (Es folgt die Abbildung.)
2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu je 1/2 zu tragen.
3. Der Wert des Verfahrens beträgt 20.000 EUR.
Gründe
A. Die Antragstellerin trägt vor, sie habe für den Antragsgegner zu 2) ein dem im Tenor abgebildeten Design entsprechendes Design (Anlage Ast 4) entworfen und gemäß einer "Vorbehaltserklärung" vom 25.9.2003 vom Antragsgegner zu 2) hierfür 100 EUR erhalten. In der "Vorbehaltserklärung" heißt es weiterhin: "Im Fall, dass das Logo wirtschaftlich verwertet wird, ist zzgl. zum vereinbarten Arbeitshonorar eine Nutzungsvereinbarung zu schließen."
Ohne Absprache mit der Antragstellerin sei Anfang September 2004 das Natursalz-Produkt mit dem im Tenor genannten Design von den Antragsgegnern im KADEWE zum Verkauf angeboten worden.
Den auf Verletzung von Urheber-, Geschmacksmuster- und Vertragsrechten gestützten Unterlassungsantrag hat das LG zurückgewiesen.
B. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist auch begründet.
I. Mit dem LG kann allerdings davon ausgegangen werden, dass das streitgegenständliche Design nicht die nach §§ 97 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG erforderliche Schöpfungshöhe erreicht.
Die sog. "kleine Münze" des Urheberrechts ist wegen des insoweit bestehenden Geschmacksmusterschutzes im Bereich der angewandten Kunst nicht urheberrechtlich schutzfähig (BGH v. 22.6.1995 - I ZR 119/93, MDR 1995, 1229 = GRUR 1995, 581 [582] - Silberdistel; v. 15.9.1999 - I ZR 57/97, MDR 2000, 535 = GRUR 2000, 144 [145] - Comic-Übersetzungen II: KG GRUR-RR 2001, 292 [293]; a.A. Loewenheim, GRUR 2004, 765, m.w.N.). Erforderlich ist im Bereich der angewandten Kunst ein deutliches Überragen der nicht geschützten Durchschnittsgestaltung, des rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen (BGH GRUR 1995, 581 - Silberdistel).
Ein solches Überragen der vorliegenden Gestaltung in ihrem individuellen, geistigen, schöpferischen Gehalt ggü. dem Werk eines Durchschnittsdesigners kann nicht festgestellt werden. Es werden vorbekannte Gestaltungsmittel (stilisierte Sonne mit flammenden, durch einen durchsichtigen Kreis vom runden Körper der Sonne getrennten Sonnenstrahlen, in goldener Farbe, umlaufende schwarze Schrift der Produktbezeichnung in unterschiedlichen "edlen" Schrifttypen auf hellblauem, pastellfarbenem Hintergrund) verwendet, die auch in ihrer Gesamtheit und Beziehung zueinander das Alltägliche nicht deutlich übersteigen.
II. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegner aber ein geschmacksmusterrechtlicher Unterlassungsanspruch aus Art. 89 Abs. 1 lit. a, 11 GGVO (Verordnung EG Nr. 6/2002 des Rates v. 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster) zu.
1. Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster setzt gem. Art. 4 Abs. 1 GGVO voraus, dass das Geschmacksmuster neu ist und Eigenart hat.
a) Ein Geschmacksmuster gilt gem. Art. 5 GGVO als neu, wenn der Öffentlichkeit kein identisches Geschmacksmuster vorbekannt ist, wovon auszugehen ist, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden. Darüber hinaus erfordert die "Eigenart" gem. Art. 6 Abs. 1 GGVO, dass sich der Gesamteindruck, den das Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes vorbekanntes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft. Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwurfes bei der Entwicklung des Geschmacksmusters berücksichtigt, § 6 Abs. 2 GGVO (ebenso nunmehr § 2 GeschmMG n.F.). Entgegen § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ist für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster keine bestimmte (Mindest-)Gestaltungshöhe vorgeschrieben, insb. muss es nicht unbedingt einen ästhetischen Gehalt aufweisen (Präambel Nr. 10 der GGVO). Ein hohes Maß an Originalität oder künstlerischer bzw. designerischer Gestaltungskraft kann daher nicht gefordert werden (Rahlf/Gottschalk, GRUR Int. 2004, 821 [822]; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973 [974]). In erster Linie ist entscheidend die Unterscheidungskraft, nicht die Gestaltungskraft. Dafür ist aus der Sicht des informierten Benutzers (also eines mit dem Design besser Vertrauten, als es ein Durchschnittsverbraucher ist, vgl. Koschtial, GRUR Int. 2003, 973 [974 f.]) jeweils das Geschmacksmuster mit den einzelnen vorbekannten Mustern zu vergleichen. Die ...