Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverzügliche Zuleitung einer Gegendarstellung
Leitsatz (amtlich)
Ob der Betroffene unverzüglich i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG gehandelt hat, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ohne Bindung an starre Fristen zu entscheiden.
Die Annahme einer Regelfrist von 14 Tagen, innerhalb derer die Zuleitung einer Gegendarstellung stets "unverzüglich" i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG sein soll, widerspricht diesen Grundsätzen und ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (entgegen OLG Dresden ZUM-RD 2007, 117; OLG Stuttgart AfP 2006, 252; OLG Hamburg NJW-RR 2001, 186).
Normenkette
LPG § 10 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 05.06.2008; Aktenzeichen 27 O 571/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 6.6.2008 gegen den Beschluss des LG Berlin vom 5.6.2008 (27. O. 571/08) wird auf dessen Kosten bei einem Beschwerdewert von 20.000 EUR zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Zutreffend ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung aus § 10 LPG nicht zusteht, weil das Abdruckverlangen des Antragstellers der Antragsgegnerin nicht mehr "unverzüglich" i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG zugegangen ist.
1. "Unverzüglich" bedeutet in Anwendung der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern auf den Abdruck der Gegendarstellung hinzuwirken hat. Es muss ihm hinreichend Zeit bleiben, notwendige Informationen einzuholen, ggf. unter anwaltlicher Beratung zu einer Entscheidung zu kommen und die Gegendarstellung korrekt abzufassen. Dabei ist aber Beschleunigung geboten, weil das gesamte Gegendarstellungsrecht vom Aktualitätsinteresse geprägt wird (KG AfP 1993, 749). Es kann der Pressefreiheit zuwider laufen, wenn eine Gegendarstellung so spät veröffentlicht wird, dass für den Leser der Bezug zu der zu korrigierenden Information nicht mehr erkennbar ist (vgl. BVerfG AfP 1983, 334, 336). Ob der Betroffene unverzüglich gehandelt hat, ist hiernach unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ohne Bindung an starre Fristen zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt Beschl. v. 9.11.2007 - 9 W 156/07; ebenso Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rz. 132). Freilich ist hierbei sowohl das Interesse des Betroffenen an einer angemessenen Überlegungsfrist als auch das Interesse der Medien an der Aktualität ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Gerade im Falle einer täglich erscheinenden Zeitung - wie vorliegend - sind an eine unverzügliche Geltendmachung einer Gegendarstellung jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit kann hier offen bleiben, ob in diesem Zusammenhang auch Berücksichtigung finden kann, in welchen Intervallen eine Zeitung bzw. Zeitschrift erscheint.
Die Annahme einer Regelfrist von 14 Tagen, innerhalb derer die Zuleitung einer Gegendarstellung stets "unverzüglich" i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG sein soll, widerspricht diesen Grundsätzen und ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (a.A. OLG Dresden ZUM-RD 2007, 117; OLG Stuttgart AfP 2006, 252; OLG Hamburg NJW-RR 2001, 186). Es mag im Sinne der Rechtssicherheit und aus Gründen der Praktikabilität wünschenswert sein, wenn - wie der Antragsteller meint - sämtliche mit Gegendarstellungsverfahren befasste Gerichte einheitlich davon ausgehen würden, regelmäßig eine 14-tägige Frist nach Kenntnisnahme der Erstmitteilung für die Unverzüglichkeit der Geltendmachung einer Gegendarstellung ausreichen zu lassen. Nach § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG kann der Abdruck der Gegendarstellung jedoch nur dann verlangt werden, wenn die Gegendarstellung unverzüglich zugeht. Der Gesetzgeber hat an Stelle des Begriffes "unverzüglich" eben keine konkrete Frist von 14 Tagen normiert. Soweit beispielsweise das OLG Hamburg (NJW-RR 2001, 186) die Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2000, 2282) zur Auslegung des Begriffs "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO als in der Praxis brauchbare Richtschnur heranziehen will, überzeugt dies deshalb nicht, weil eine demnächstige Zustellung unverzügliches Handeln nicht voraussetzt, sondern durchaus eine vom Zustellungsbetreiber verursachte Verzögerung hinnimmt. Die Rechtsprechung des OLG München zur Aktualitätsgrenze kann auf § 10 Abs. 2 Satz 4 LPG Berlin ohnehin nicht übertragen werden, weil Art. 10 des BayPrG eine unverzügliche Zuleitung nicht verlangt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält auch § 56 RFStV gerade keine von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Legaldefinition des Begriffes "unverzüglich". Insbesondere lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen, dass eine innerhalb von sechs Wochen nach dem letzten Tage des Angebotes erfolgte Gegendarstellung stets unverzüglich sei. Die Sechs-Wochen-Frist stellt eine Ausschlussfrist dar.
2. Vorliegend wäre es dem Antragsteller bei gebotener Anstrengung möglich gewesen, schneller tätig zu werden, so dass die Zuleitung der Gegendarstellung erst am 29.5.2008 auf eine sch...