Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenstreitwert einer Klage auf zukünftige Leistung von Nutzungsentschädigung für Gewerberaum nach beendetem Mietvertrag bis zum - unbekannten - Zeitpunkt der Räumung ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bestimmen.
In einfach gelagerten Fällen ist dieser Streitwert auf den 12-fachen Betrag der geforderten monatlichen Nutzungsentschädigung festzusetzen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 23.11.2006; Aktenzeichen 32 O 491/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird Streitwertbeschluss des LG vom 2.11.2006 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.11.2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Streitwert des landgerichtlichen Verfahrens wird wie folgt festgesetzt:
a) Räumungsklage: 12 × 222 EUR = 2.664 EUR
b) Zahlungsklage: 2.743,92 EUR
c) zukünftige Nutzungsentschädigung:
12 × 304,88 EUR = 3.658,56 EUR
Summe: 9.066,48 EUR
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1.900 EUR festgesetzt.
Gründe
Auf die zulässige Beschwerde des Klägers war der Streitwerte hinsichtlich des Antrages auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zur Räumung neu festzusetzen.
Die Frage, ob der Gebührenstreitwert einer auf Zahlung zukünftiger Nutzungsentschädigung bis zur Räumung gerichteten Klage nach § 9 ZPO oder § 3 ZPO zu bestimmen ist, ist umstritten. Mit der ganz herrschenden Meinung geht der Senat davon aus, dass die Bestimmung des Streitwertes gem. § 3 zu erfolgen hat (so auch die Zivilkammer 62 des LG Berlin, GE 2005, 237; OLG Frankfurt v. 5.2.2004 - 2 W 3/04, OLGReport Frankfurt 2004, 201; KG v. 22.5.2000 - 20 W 3878/00, KGReport Berlin 2000, 234; OLG Frankfurt v. 14.3.1980 - 22 W 1/80, MDR 1980, 761; a.A. OLG Stuttgart v. 7.2.1997 - 13 W 3/97, NJW-RR 1997, 1303).
a) Entgegen der von der Zivilkammer 65 des LG Berlin und dem OLG Stuttgart (a.a.O.) vertretenen Ansicht ist § 9 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden nicht anzuwenden. Es ist zwar zutreffend, dass es sich bei der vom Mieter bis zur Räumung zu zahlenden Nutzungsentschädigung um eine wiederkehrende Leistung von ungewisser Dauer handelt, doch reicht dies allein für eine Anwendung von § 9 ZPO nicht aus. Zu berücksichtigen sind vielmehr die Grundsätze, die von den Vereinigten Zivilsenaten des Reichsgerichts in RGZ 24, 373, 377 über Sinn und Zweck sowie über die Anwendung des § 9 ZPO entwickelt worden sind (bestätigt in RGZ 37, 383 und BGHZ 36, 144). Hiernach betrifft § 9 nur solche Rechte, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von - aus heutiger Sicht - wenigstens 42 Monaten haben oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunktes, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben können (BGH, a.a.O.). Es steht aber außer Zweifel, dass jedenfalls in einfach gelagerten Räumungsrechtsstreiten wie dem vorliegenden zwischen der Einreichung der Klage und der Räumung der Mieträume in aller Regel ein Zeitraum von weniger als 42 Monaten liegt.
Die vom LG zitierte Entscheidung des BGH vom 17.3.2004 (MDR 2004, 1437 = BGHReport 2004, 1055) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Diese Entscheidung betraf nämlich einen Sachverhalt, in dem das Mietverhältnis nach der Darstellung des Klägers in der Klageschrift nicht beendet war. Gleiches gilt für eine Entscheidung der Zivilkammer 65 des LG vom 1.10.2002 (ZMR 2003, 264), in der der Vermieter bei weiter bestehendem Mietverhältnis wegen einer Mietminderung eine Klage auf Zahlung künftig fällig werdender Mieten erhoben hatte.
b) Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles zu bestimmen. Dies muss in einfach gelagerten Fällen wie dem vorliegenden dazu führen, den Gebührenstreitwert auf den 12-fachen Betrag der geforderten monatlichen Nutzungsentschädigung festzusetzen (Senat, Grundeigentum 2006, 188 = KGReport 2006, 459; so im Ergebnis auch OLG Frankfurt v. 5.2.2004 - 2 W 3/04, OLGReport Frankfurt 2004, 201). Der Kläger hat in seiner Klageschrift vorgetragen, dass über einen Zeitraum von mehreren Monaten keine Mietzinszahlungen erfolgt sind, ohne dass der Mieter Einwände gegen seine Pflicht zur Zahlung von Mietzins vorgebracht hätte. Deshalb ist nicht ersichtlich, dass die von dem Kläger im Zeitpunkt der Klageeinreichung zu erwartende Herausgabe der Mieträume durch den Beklagten für einen späteren Zeitraum als den von 12 Monaten erfolgen werde. Anhaltspunkte, welche die Annahme eines längeren Zeitraums bis zur Herausgabe rechtfertigen, ergeben sich aus den Akten ebenso wenig wie Anhaltspunkte für eine Herausgabe zu einem früheren Zeitpunkt. Die in der angefochtenen Entscheidung sowie von der Zivilkammer 62 des LG Berlin (GE 2005, 237) in Ansatz gebrachten sechs Monatsmieten erscheinen für den Zeitraum von der Einreichung der Klageschrift bis zur voraussichtlichen Räumung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in Berlin als zu gering.
Entg...