Leitsatz (amtlich)
Bei einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO trägt der Berufungsführer auch die Kosten der Anschlussberufung, weil die Anschlussberufung durch die Zurückweisung der Berufung nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren hat, ohne dass über ihre Zulässigkeit oder Begründetheit entschieden worden wäre.
Normenkette
ZPO § 522 Abs. 2, § 524 Abs. 4, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.12.2008; Aktenzeichen 90 O 12/08) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin vom 29.1.2009 gegen das am 8.12.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 90 O 12/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf insgesamt 40.176,72 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung der Klägerin war gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus den Gründen des Hinweisbeschlusses vom 17.8.2009 als unbegründet zurückzuweisen. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 9.9.2009 haben dem Senat nach nochmaliger eingehender Überprüfung keine Veranlassung zur Änderung seiner Auffassung gegeben.
Soweit die Klägerin an den von ihr konkret für ihre Tankstelle elektronisch ermittelten Stammkundendaten zur Berechnung ihres Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB festhält, hält der Senat im vorliegenden Fall aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen auch weiterhin die vom BGH gebilligten statistischen Daten der MAFO-Studie zur Ermittlung des Stamm-kundenanteils für vorzugswürdig. Die von der Klägerin vorgetragenen Zahlen bieten keine hinrei-chende Aussagekraft, da sie deutlich unter 50 % der Kunden und des Treibstoffumsatzes liegen. Selbst dann, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass der BGH (Urt. v. 10.7.2002 - VIII ZR 58/00) einen Mindestanteil von 50 % Kartentankern für nicht notwendig hält, sieht sich der Senat dadurch nicht zu einer Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung gezwun-gen, zumal die von der Klägerin konkret ermittelten Zahlen für eine Beurteilung nicht ausreichen. Eine Übertragbarkeit des anhand der Kartenkundenumsätze ermittelten Stammkundenanteils auf die Barzahlerumsätze kommt hier - worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 17.8.2009 hingewiesen hat - bereits deshalb nicht in Betracht, weil barzahlende Kunden unstreitig an der vor-mals von der Klägerin betriebenen Tankstelle durchschnittlich 18,13 Liter Treibstoff je Tankvorgang abnahmen, im selben Zeitraum aber Kartentanker mit 37,25 Litern mehr als die doppelte Menge tankten. Unter diesen Umständen sind die statistischen Angaben der MAFO-Studie zur Er-mittlung der Anspruchshöhe nach § 287 ZPO vorzuziehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Frage, ob die konkret ermittelten elektronischen Kundendaten auch dann für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs heranzuziehen sind, wenn sie weniger als 50 % vom Tankgeschäft ausmachen, nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache immer dann, wenn sie eine ent-scheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH NJW 2002, 3029, BGH NJW 2002, 2957 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Vielmehr handelt es sich bei der hier vorzunehmenden Ermittlung der Anspruchshöhe um eine Beweisfrage über die tatsächli-che Höhe des Ausgleichsanspruchs. Im Hinblick auf die sich dabei ergebenden tatsächlichen Schwierigkeiten, in dem anonymen Massengeschäft einer Tankstelle den Stammkundenumsatz-anteil konkret zu ermitteln, hat der BGH (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2002 - VIII ZR 58/00, zitiert nach juris Rz. 16 m.w.N.) in diesem Bereich eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zugelassen. Damit ist die allein erhebliche Rechtsfrage, ob die für die Ermittlung der Höhe des An-spruchs maßgebliche "Tatsache" zur vollen Überzeugung des Richters bewiesen werden müssen oder auch geschätzt werden können, bereits höchstrichterlich geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 524 Abs. 4 ZPO. Die Klägerin hat auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen, weil die Anschlussberufung durch die Zurückweisung der Berufung ihre Wirkung verloren hat, ohne dass über ihre Zulässigkeit oder Begründetheit ent-schieden worden wäre.
Bei einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ist die Frage, wer die durch eine - wie hier - zulässige Anschlussberufung, die nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos geworden ist, entstandenen Kosten zu tragen hat, in der Zivilprozessordnung nicht geregelt. Während nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW-RR 2005, 727 f.; NJW-RR 2006, 1147 f.; NJW-RR 2007, 786 f.) der Berufungsführer, der auf einen Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung zurücknimmt, gem. § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO auch die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hat, ist die Frage umstritten, wer die Kosten einer (zulässigen) Anschlussberufung nach Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO tragen muss.
Die wohl vorherrschende Auffassung geht im Rahmen einer entsprechenden Anwendung der §§...