Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweisungsbeschluss nach § 281 BGB ist objektiv willkürlich und damit ausnahmsweise nicht bindend, wenn er nicht durch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) erlassen worden ist und auch im Übrigen einer gesetzlichen Grundlage entbehrt.
2. Der Zuständigkeitsstreitwert einer Stufenklage bestimmt sich allein nach dem Wert des Zahlungsantrags der dritten Stufe, weil die mit der ersten und zweiten Stufe verfolgten Ansprüche lediglich vorbereitenden Charakter haben und mit dem Leistungsantrag der dritten Stufe wirtschaftlich identisch sind (Entgegen OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2001 - 1 AR 44/01, MDR 2002, 536).
Normenkette
GG Art. 101 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 5, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Verfahrensgang
AG Berlin-Mitte (Aktenzeichen 9 C 23/18) |
LG Berlin (Aktenzeichen 20 O 77/19) |
Tenor
Das Amtsgericht Mitte wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist einer von zwei Söhnen der am 13. Oktober 2014 verstorbenen ... Die Antragsgegnerin ist die testamentarische Erbin der Erblasserin. Mit einem Schreiben vom 11. Oktober 2017 hat der zunächst nicht anwaltlich vertretene Antragsteller bei dem Amtsgericht Wedding die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf die Durchsetzung seines gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs gerichtete Stufenklage beantragt. Das Amtsgericht Wedding hat sich mit einem Beschluss vom 9. Januar 2019 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren antragsgemäß an das Amtsgericht Mitte verwiesen.
Das Amtsgericht Mitte hat nach Eingang der Sache auf Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit hingewiesen und eine Verweisung an das Landgericht angeregt. Hierauf hat sich für den Antragsteller ein Rechtsanwalt gemeldet und den Entwurf einer Klageschrift mit den Anträgen auf Auskunft (Klageantrag zu 1), eidesstaatliche Versicherung (Klageantrag zu 2), Wertermittlung (Klageantrag zu 3) und Zahlung (Klageantrag zu 4) eingereicht. Der voraussichtliche Gesamtwert der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ist in dem Klageentwurf mit geschätzten 3.000,00 Euro angegeben. Das Amtsgericht Mitte hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einem Beschluss vom 1. Oktober 2018 wegen seiner fehlenden sachlichen Zuständigkeit zurückgewiesen. Aufgrund der für die erste und zweite Stufe angekündigten Anträge, die zu dem Zahlungsantrag der dritten Stufe zu addieren seien, belaufe sich der Gesamtstreitwert auf mindestens 20.000,00 Euro, wovon allein auf den als Klageantrag zu 1) geltend gemachten Auskunftsanspruch 10.000,00 Euro entfielen.
Den die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts hat der Antragssteller nach Niederlegung des Mandats seiner Prozessbevollmächtigten selbst mit der sofortigen Beschwerde angefochten. Nach einem Hinweis des Beschwerdegerichts auf die Aussichtslosigkeit seines Rechtsmittels hat er mit einem - nicht unterschriebenen - Schriftsatz vom 28. Januar 2019 eine Abgabe des Verfahrens an das Landgericht beantragt und nur "hilfsweise" das Rechtsmittel zurückgenommen. Die zuständige Einzelrichterin der Beschwerdekammer hat hierauf das Beschwerdeverfahren als beendet angesehen und verfügt, dass die Sache "auszutragen" sei, sowie die Rücksendung der Akten an das Amtsgericht veranlasst. Das Amtsgericht Mitte hat sich sodann schließlich mit einem Beschluss vom 13. Februar 2019 für sachlich unzuständig erklärt, "den Rechtsstreit" an das Landgericht Berlin verwiesen und zur weiteren Begründung auf seinen die Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschlusses vom
1. Oktober 2018 Bezug genommen.
Das Landgericht Berlin sieht sich durch die Verweisung hinsichtlich seiner sachlichen Zuständigkeit nicht gebunden, hat sich durch Beschluss vom 12. April 2019 seinerseits für sachlich unzuständig erklärt und die Sache dem Kammergericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. 1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen.
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind ferner auch der Sache nach gegeben, nachdem sich sowohl das Amtsgericht Mitte als auch das Landgericht Berlin rechtskräftig im Sinne der Vorschrift (vgl. zum Begriff BGH, Beschluss vom 4. Juni 1997 - XII AZR 13/97, NJW-RR 1997, 1161) für unzuständig erklärt haben. Einer Zuständigkeitsbestimmung steht auch nicht entgegen, dass die von dem Antragsteller beabsichtigte Klage noch nicht rechtshängig ist. Denn es ist anerkannt, dass Verweisungen in Prozesskostenhilfeverfahren analog § 281 ZPO möglich sind, den so ergangenen Beschlüssen grundsätzlich Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zukommt und über sich dabei ergebende Kompetenzkonflikte entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden ist (BGH, Beschluss vom 09. März 1994 - XII ARZ 8/94 -, NJW-RR 1994, 706; OLG Dresden, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 10 ARf 34/98 -, NJW 1999, 797; Zöller/Geimer, ZPO, 33. A...