Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitteilung der Einlassung des Betroffenen bei Anwendung der BKatV

 

Leitsatz (amtlich)

Ob das Tatgericht zu Recht bei der Verhängung einer nicht geringfügigen Geldbuße (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG) unter Anwendung der BKatV auf Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen verzichten durfte, kann das Rechtsbeschwerdegericht nur überprüfen, wenn das Urteil mitteilt, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene dazu eingelassen hat.

 

Normenkette

OWiG § 17 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 13.04.2022; Aktenzeichen (305 OWi) 3014 Js-OWi 4359/21 (340/21))

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. April 2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu getroffenen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer innerorts begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 46 km/h bei erlaubten 80 km/h zu einer Geldbuße von 600,- Euro verurteilt und ihm ein zweimonatiges Fahrverbot auferlegt. Zur Höhe der verhängten Geldbuße hat das Amtsgericht ausgeführt, es habe die Regelgeldbuße von 200,- Euro wegen der vorsätzlichen Tatbegehung nach § 3 Abs. 4 BKatV verdoppelt und eine weitere Erhöhung um 200,- Euro wegen der einschlägigen Voreintragungen vorgenommen. Wegen dieser habe es das Regelfahrverbot ebenfalls (auf zwei Monate) erhöht. Dazu, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene eingelassen hat, enthält das Urteil keine Angaben. Es findet sich lediglich der Hinweis, der Betroffene habe an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er auf eine - nicht ausgeführte - Verfahrensrüge und die Sachrüge stützt. Hinsichtlich der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 13. Juni 2022 Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Sache zur Entscheidung über Zahlungserleichterungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen und im Übrigen die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO bereits unzulässig.

2. Soweit der Betroffene den Schuldspruch angreift, ist seine Rechtsbeschwerde nach Maßgabe von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.

a) Mit seinem Vortrag, das Amtsgericht habe sich zu Unrecht auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt, dringt er schon deswegen nicht durch, weil er lediglich die erhobenen Beweise einer eigenen Würdigung unterzieht, anstatt Rechtsfehler des Gerichts aufzuzeigen. Damit wird er im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört. Im Übrigen hat sich das Amtsgericht in seinem Urteil ausführlich und nachvollziehbar mit dem Sachverständigengutachten auseinandergesetzt.

b) Auch gegen den Schuldspruch wegen einer vorsätzlichen Tat ist nichts zu erinnern. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 - 3 Ws (B) 1/22 -; VRS 139, 213; 100, 471; NStZ 2019, 530 m.w.N.). Dass die Tat auf einer innerorts gelegenen Autobahn (hier der BAB 113) begangen wurde, stellt keinen besonderen Umstand dar (vgl. Senat NZV 2002, 47).

3. Demgegenüber hält der Rechtsfolgenausspruch sachlich-rechtlicher Überprüfung durch den Senat nicht stand.

a) Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieser von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat VRS 2021, 99 und Beschluss vom 12. März 2019 - 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

b) Im Ordnungswidrigkeitenrecht hat das Tatgericht § 17 OWiG als ermessensleitende Vorschrift zu beachten. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG kommen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in Betracht, sofern nicht eine geringfügige Geldbuße verhängt wird; dann bleiben diese in der Regel außer Betracht. Verhängt das Gericht - wie im vorliegenden Fall - eine nicht geringfügige Geldbuße, bedarf es deshalb grundsätzlich Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, damit dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung ermöglicht wird, ob das Tatgericht sein Rechtsfolgeermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat (vgl. Senat VRS 126, 103; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2022 - 1 RBs 198/22 -, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. Juni 2015 - 2 Ss OWi 474/15 -, juris; Gürtler in Göhler, OWiG 18....

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