Leitsatz (amtlich)
In Ausnahmefällen kann auch gegen den Willen eines Elternteils ein Betreuungs-Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden. Ein solcher Ausnahmefall kann dann gegeben sein, wenn das Betreuungs-Wechselmodell im Hinblick auf das Kindeswohl geboten ist und dem eindeutig geäußerten und belastbaren Willen des Kindes entspricht (§ 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 1684 Abs. 3 BGB; KG, 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen -, Beschluss vom 28.2.2012 zu 18 UF 184/09).
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 03.11.2009; Aktenzeichen 25 F 2866/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Vaters wird unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Mutter sowie der Beschwerde des Vaters im Übrigen der Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 3.11.2009 - 25 F 2866/07 - abgeändert:
Der Umgang des Kindes mit dem jeweiligen Elternteil wird dahin geregelt, dass J.jeweils im Wechsel einer Woche beginnend montags nach der Schule/dem Hort bei der Mutter und dem Vater lebt. Der Elternteil, dessen Umgangszeit beginnt, holt das Kind jeweils montags von der Schule/dem Hort ab. Diese Umgangsregelung führt die derzeit von den Eltern praktizierte Regelung fort. Die Weihnachtsferien verbringt das Kind im jährlichen Wechsel jeweils komplett bei einem Elternteil; die übrigen Ferienzeiten verbringen die Eltern jeweils zur Hälfte mit dem Kind.
Im Übrigen verbleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern.
Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.
Für jede Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen wird ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 EUR angedroht.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die gerichtlichen Auslagen haben die Eltern jeweils zur Hälfte zu tragen. Eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten ergeht nicht.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die nicht miteinander verheirateten Eltern des jetzt 8,0 Jahre alten Kindes J., die ursprünglich eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben, leben seit April 2007 voneinander getrennt und streiten seit Mai 2007 über den wechselseitigen Betreuungsumfang und die alleinige elterliche Sorge für J. Als Folge der elterlichen Streitigkeiten hat Johanna seit dem Spätherbst 2008 bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung im November 2009 im wöchentlichen Wechsel eine Kindertagesstätte in P.und eine im B...Stadtteil F.besucht. Im Mai 2010 ist der Vater mit seiner Familie ebenfalls nach P.verzogen. Beide Eltern leben mittlerweile in jeweils neuen Partnerschaften, aus denen jeweils ein weiteres Kind hervorgegangen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Das AG hat in der angefochtenen Entscheidung, auf deren Begründung Bezug genommen wird, den Umgang des Vaters mit dem Kind geregelt und ihm hierbei aufgegeben, das Kind von der seitens der Mutter ausgewählten Kita in P.abzuholen und nach Ende der Umgangszeiten auch wieder dorthin zurück zu bringen. Die übrigen Anträge der Eltern auf Regelung der elterlichen Sorge bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts hat es zurückgewiesen. Hiergegen haben sowohl der Vater als auch die Mutter Beschwerde eingelegt, die sich auf Seiten des Vaters gegen die Umgangsregelung und die damit einhergehende unterbliebene Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und auf Seiten der Mutter gegen die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge richten. Auf die jeweilige Begründung der Beschwerde wird Bezug genommen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 19.1.2010 den Antrag des Vaters, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Verpflichtung des Vaters, das Kind auch während seiner Betreuungszeiten in die Kita in P.zu bringen, einstweilen bis zur Entscheidung der Hauptsache auszusetzen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, dass dem Kind ein weiterer wöchentlicher Wechsel zwischen einer im Land B.und einer im Land B.liegenden Kita im Hinblick auf die bevorstehende Einschulung im Land B.nicht zuzumuten ist. Im Übrigen wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
Im Termin zur persönlichen Anhörung aller Beteiligten am 1.4.2010 haben sich die Eltern darüber geeinigt, eine Paartherapie bei dem Institut für systemische Therapie in B.-D.zu beginnen und für den Zeitraum bis einschließlich Oktober 2010 eine Umgangsregelung dahingehend getroffen, dass J.künftig im wöchentlichen Wechsel jeweils eine Woche bei der Mutter und dem Vater lebt. Hintergrund dieser Vereinbarung war auch der Umstand, dass der Senat bei der persönlichen Anhörung des Kindes an diesem Tage den Eindruck gewonnen hat, dass das Kind äußerst bedrückt und traurig war und unter großem Druck stand. Die Eltern haben diese Therapie bis einschließlich Oktober 2010 durchgeführt. Mit Beschluss vom 10.12.2010, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug...