Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsreisekosten des auswärtigen, beim Gericht nicht zugelassenen PKH-Anwalts
Normenkette
BRAGO §§ 121, 122 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 01.10.2002; Aktenzeichen 100 AR 20/02) |
LG Berlin (Aktenzeichen 103 O 47/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wir geändert.
Die der Beteiligten zu 1) aus der Landeskasse Berlin zu gewährende Vergütung wird über die Festsetzung vom 1.10.2002 hinaus auf weitere 71,26 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 128 Abs. 4 S. 1 BRAGO zulässige Beschwerde ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Der Beteiligten zu 1) steht gem. §§ 121, 122 Abs. 1 BRAGO ein Anspruch gegen die Landeskasse auf Erstattung der ihr durch die Reise zum Verhandlungstermin vor dem LG Berlin am 3.9.2002 entstandenen Kosten zu.
Reisekosten und sonstige Auslagen werden dem beigeordneten Rechtsanwalt gem. § 126 Abs. 1 S. 1 BRAGO nur dann nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beauftragung der nicht am Prozessgericht zugelassenen Beteiligten zu 1) durch den Kläger notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO war (vgl. dazu BGH v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 = NJW 2003, 898 ff. und NJW 2003, 2027 f.). Denn hier geht es nicht um die Kostenerstattung zwischen den Parteien, sondern um den Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landeskasse. Der Umfang dieses Anspruchs richtet sich gem. § 122 Abs. 1 BRAGO nach dem Beschluss vom 12.3.2002, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beteiligte zu 1) – ohne Einschränkung – beigeordnet worden ist. Der Beschluss ist als Kostengrundentscheidung für die Vergütungsfestsetzung bindend; weder ist zu prüfen, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 121 Abs. 1 und 2 ZPO überhaupt erforderlich war, noch ob die Beiordnung gerade dieses (auswärtigen) Rechtsanwalts notwendig und gem. § 121 Abs. 3 ZPO zulässig war. Es ist vielmehr von der Beiordnung auszugehen, durch die das Gericht zum Ausdruck gebracht hat, dass es die Einschaltung des auswärtigen Anwalts für sachdienlich und notwendig erachtet (vgl. OLG München RPfleger 2002, 159 [160]; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 126 Rz. 16 m.w.N.).
Der Vergütungsanspruch ist nicht gem. § 126 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BRAGO ausgeschlossen. Der Ausschlusstatbestand greift gem. § 126 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BRAGO nicht ein, wenn ein Rechtsanwalt beigeordnet wird, der weder bei dem Prozessgericht noch bei einem Gericht zugelassen ist, das sich an demselben Ort wie das Prozessgericht befindet. Ein solcher Fall ist hier gegeben, da die Beteiligte zu 1) bei einem Berliner Gericht nicht zugelassen ist. Unter Zulassung i.S.v. § 126 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 ZPO ist – ebenso wie bei § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO (vgl. BGH v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 = NJW 2003, 898 [900]) – die berufsrechtliche Zulassung des Rechtsanwalts bei einem bestimmten Gericht i.S.d. §§ 18 ff. BRAO und nicht die Postulationsfähigkeit i.S.d. § 78 ZPO zu verstehen (OLG Frankfurt v. 2.8.2002 – 5 WF 15/02, MDR 2003, 177; OLG Nürnberg RPfleger 2002, 628 [629]; OLG Rostock v. 23.11.2000 – 10 UF 98/00, FamRZ 2001, 510 [511]; OLG Brandenburg JurBüro 1997, 591 [592]; Hartmann, Kostengesetze, BRAGO, 32. Aufl., § 126 Rz. 35). Das folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift; die Beiordnung eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts kommt nicht in Betracht. Als Anwendungsbereich für § 126 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BRAGO verbleiben – in Übereinstimmung mit § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO – die Fälle, in denen ein am Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Gerichtsort hat.
§ 121 Abs. 3 ZPO steht dem Erstattungsanspruch der Beteiligten zu 1) ebenfalls nicht entgegen, da ein möglicher Verstoß gegen diese Vorschrift die Wirksamkeit der Kostengrundentscheidung nicht berührt. Es ist – unabhängig von der Zulässigkeit einer solchen Einschränkung – auch nicht davon auszugehen, dass das Prozessgericht die Beteiligte zu 1) lediglich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet hat. Wird eine solche Beschränkung in dem Beiordnungsbeschluss nicht ausgesprochen und bestehen – wie hier – auch keine Anhaltspunkte für eine entspr. Auslegung, kann die Einschränkung nicht unterstellt werden (vgl. OLG München RPfleger 2002, 159 [160]; OLG Frankfurt v. 2.8.2002 – 5 WF 15/02, MDR 2003, 177; OLG Rostock v. 23.11.2000 – 10 UF 98/00, FamRZ 2001, 510 [511]; OLG Brandenburg JurBüro 1997, 591 [592]; OLG Schleswig RPfleger 2002, 85; OLG Koblenz v. 25.7.2001 – 14 W 525/01, MDR 2002, 175; OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 839 [840]; LAG Köln v. 30.7.1999 – 13 Ia 180/99, MDR 1999, 1469; Hartmann, Kostengesetze, BRAGO, 32. Aufl., § 126 Rz. 35; Baumbach/Hartmann, 61. Aufl., § 121 Rz. 62). Die Gegenansicht (OLG Naumburg...