Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeld bei titelwidrig unlauterer Telefonwerbung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in einem Gewinnspiel formulierte Klausel zur Verbrauchereinwilligung in werbende Telefonanrufe, die die zu bewerbende Produktgattung nicht nennt, ist eine wegen Intransparenz unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung (Fortführung BGH GRUR 2011, 629, Tz. 22 - Einwilligungserklärung für Werbeanrufe; OLG Hamburg WRP 2009, 1282, 1285; gegen KG [23. ZS] NJW 2011, 466).

2. Ein (gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderlicher) Nachweis tatsächlich erteilter Einwilligungen in Werbeanrufe kann auch im Ordnungsmittelverfahren nur dann als geführt angesehen werden, wenn der Schuldner eine insoweit gemäß BGH GRUR 2011, 917, Tz. 31 - Double-opt-in-Verfahren - hinreichende Dokumentation beibringt.

3. Der Adressat eines (näher spezifizierten) gerichtlichen Verbots, einwilligungslose Telefonwerbung zu betreiben, handelt in erheblichem Ausmaß schuldhaft, wenn er Telefonwerbung betreibt, ohne sich von seinem "Datenlieferanten" eine hinreichende Dokumentation diesbezüglicher Einwilligungserklärungen präsentieren zu lassen, und sich vielmehr auf dessen diesbezügliche schlichte "Zusicherung" verlässt. Eine nicht geringe Anzahl dergestalt illegaler Werbeanrufe kann eine entsprechende Summe der dafür zu verhängenden Ordnungsgelder nach sich ziehen (im Streitfall: 26 × 3.000 EUR = 78.000 EUR).

 

Normenkette

UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; ZPO § 890 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 22.03.2012; Aktenzeichen 103 O 41/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 103 des LG Berlin vom 22.3.2012 - 103 O 41/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.333 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die gem. §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist nicht begründet, § 890 ZPO. Mit Recht hat das LG wegen 26 Titelverstößen (unerbetene Werbeanrufe) ein Ordnungsgeld von 78.000 EUR verhängt. Der Senat stimmt den diesbezüglichen Ausführungen des LG im angefochtenen Beschluss zu, welche sämtlichen Angriffen der Beschwerde standhalten, und verweist darauf. Zu ergänzen bleibt Folgendes:

1. Eine von einem Gewinnspielveranstalter vorformulierte Einwilligungsklausel, wie sie die Schuldnerin als Anlage AG 1 präsentiert hat, ist intransparent, weil das zu bewerbende Produkt (hier: Telekommunikationsdienstleistungen) nicht genannt wird (s. schon Senat, Beschlüsse v. 11.10.2011 und 1.11.2011 - 5 W 216/11; vgl. auch - zu § 4 Nr. 5 UWG - BGH GRUR 2011, 629, Tz. 22 - Einwilligungserklärung für Werbeanrufe). Es handelt sich daher bereits um eine von vornherein unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Senat, a.a.O.; vgl. auch OLG Hamburg WRP 2009, 1282, 1285; Koch in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 7 Rz. 240, 247 f.; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 7 Rz. 152, 153d; jeweils m.w.N.; (noch) a.M. KG [23. Zs.] NJW 2011, 466: Keine AGB-Kontrolle bei Einverständniserklärung im Rahmen eines Gewinnspiels mit deutlichem Hinweis auf die Unabhängigkeit der Teilnahmemöglichkeit von der Erteilung des Einverständnisses).

a) Das zu bewerbende Produkt (Telekommunikationsdienstleistungen) ergibt sich - entgegen der Beschwerde - auch nicht aus der Benennung der Schuldnerin in der vorformulierten Einverständniserklärung. Der Begriff "Primacall" ist insoweit nicht selbsterklärend. Selbst wenn der Begriff mit "Telefonieren'" in Verbindung gebracht würde (was schon für sich genommen keineswegs zwingend ist), kann das kontextuelle Verständnis besagter vorformulierter Einverständniserklärung insoweit ebenso gut auf ein (anrufendes) Call Center oder sonstiges Vertriebsunternehmen hindeuten, welches im Wege des "Telefonmarketing" Produkte jedweder Art zu vermarkten sucht.

b) Auch dass die vom Gewinnspiel (mit der Auslobung eines Gutscheins für eine Fettabsaugung) angesprochenen Verbraucher das in der Einverständniserklärung angeführte Unternehmen namens "P...GmbH" als Anbieter von (ausschließlich?) Telekommunikationsdienstleistungen gemeinhin erkennen und wahrnehmen, wird sich, auch wenn die Schuldnerin Fernsehwerbung betreibt und einen Fußballbundesligisten (H...B.B., mittlerweile Zweitligist) sponsert, nach der Einschätzung des Senats nicht annehmen lassen.

c) Für die Beurteilung nicht ausschlaggebend, aber die Intransparenz immerhin noch verstärkend kommt schließlich der Umstand hinzu, dass die Schuldnerin nicht - wie aber in der Einverständniserklärung angeführt - "P.GmbH" heißt, sondern (laut Handelsregister) korrekt "p.c.GmbH".

2. Hinzu kommt ferner, dass ein Nachweis tatsächlich erteilter Einwilligungen - selbst wenn diese wirksam wären - im Streitfall nicht als erbracht angesehen werden kann, weil es an einer insoweit hinreichenden Dokumentierung fehlt (vgl. dazu BGH GRUR 2011, 917, Tz. 31 - Double-opt-in-Verfahren; s. auc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge