Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 14.12.2011; Aktenzeichen (569) 81 Js 2746/10 Ns (39/11)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2011 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 16. Februar 2011 wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass es unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem am 11. April 2011 verkündeten Urteil und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro verhängt hat.
1. a) Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Um seinen politischen Ansichten Ausdruck zu verleihen, hat der Angeklagte Anfang 2009 als Domaininhaber die Internetseite "ex-k3-berlin.de" eingerichtet, in der er vorrangig Personen mit "rechtem Gedankengut" angesprochen, aber auch kritische Beiträge eingestellt hat. Als administrativ und redaktionell Verantwortlicher hat er nach dem 13. Oktober 2009 auf jener Internetseite unter dem Titel "Nachschlag zur Solidemo" einen Artikel folgenden Inhalts eingestellt:
"Weiter ging es dann Richtung S-Bahnhof Jannowitzbrücke, in den angeblichen roten Bezirk Friedrichshain. Richtiger Protest war an der Strecke allerdings kaum zu sehen. Der Widerstand setzte sich hauptsächlich aus Alkoholikern, Piratenpartei-Anhängern, Ausländern und Berufsantifaschisten wie z.B. T., Z., J., W., D., A. und B. zusammen (...)".
b) Diesen Sachverhalt hat das Landgericht wie folgt bewertet: Der Angeklagte habe über den Artikel wahrheitswidrig den Eindruck vermittelt, dass die namentlich benannten Personen - so auch der Nebenkläger W. - den aufgeführten Personengruppen, die je nach der politischen Ausrichtung negativ besetzt seien, angehörten. Ohne gesicherte Erkenntnisse habe der Angeklagte vermeintliche tatsächliche Grundlagen für ein negatives Werturteil vermittelt und zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Personen in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt würden. Durch den sprachlichen Zusammenhang zwischen seinem Namen und der Bezeichnung "Alkoholiker" habe er vermittelt, dass der Nebenkläger ein Alkoholiker sei. Jener habe den Text auf diese Art verstanden und Anzeige erstattet, weil er berufliche Nachteile befürchtet habe.
In ihrer Beweiswürdigung hat die Kammer ausgeführt, dass die Einlassung des Angeklagten, er habe den Namen des Nebenklägers dem Wort "Berufsantifaschisten" zuordnen wollen, widerlegt sei. Zur Begründung hat sie die subjektiven Empfindungen des Nebenklägers und ihre Überzeugung angeführt, dass zwischen den "aus Sicht eines rechtsorientierten Verfassers" negativ besetzten Begriffen und den nachfolgenden Namen ein Sinnzusammenhang bestehe. Jedenfalls hätte der Angeklagte "mit satztechnischen Mitteln" klarstellen müssen, welche Personen er welchen Begriffen habe zuordnen wollen. Dadurch, dass er alles in einem Satz zusammengefasst habe, habe er damit gerechnet, dass ein durchschnittlich gebildeter Leser nicht davon ausgehen würde, dass die namentlich erwähnten Personen lediglich zu den "Berufsantifaschisten" zählten. Dass der Angeklagte keine solche ausschließliche Zuordnung gemeint haben könne, folge bereits daraus, dass der Nebenkläger jener Gruppe unwiderlegbar nicht angehöre.
2. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg, denn die vom Landgericht getroffenen Feststellungen und Erwägungen tragen den Schuldspruch nicht.
a) Es hätte bereits der Erörterung bedurft, aus welchen Gründen die Bezeichnung "Alkoholiker" eine Tatsachenbehauptung im Sinne des § 186 StGB darstellen soll.
aa) Für nicht durch Tatsachen belegte Werturteile und allgemein gehaltene Werturteile gilt ausschließlich § 185 StGB. Ein Werturteil liegt auch dann vor, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung - wofür bei einer allgemein gehaltenen und wertenden Bezeichnung wie "Alkoholiker" einiges spricht - so substanzarm ist, dass er, mag der Tatsachenkern auch erkennbar sein, gegenüber der subjektiven Wertung völlig in den Hintergrund tritt (vgl. BVerfGE 61, 1; OLG Hamburg NJW 1992, 2035). Ist die Beurteilung nicht offenkundig, ist sie auch deswegen zu begründen, weil Tatsachenbehauptungen und Werturteile unterschiedlichen Grenzen unterliegen. Legt der Tatrichter eine Äußerung als Tatsachenbehauptung aus, so hat er, wenn die Qualifizierung nicht eindeutig ist, im Hinblick auf die unterschiedliche Reichweite des Grundrechts der freien Meinungsäußerung bei der Verbreitung von Meinungen und Tatsachenbehauptungen die für die vorgenommene Auslegung maßgeblichen Umstände anzugeben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. August 1994 - 4 StRR 81/94 - = NJW 1995, 2501). Während eine Meinun...