Leitsatz (amtlich)

1. Auf ein Rehabilitierungsinteresse kann sich die Ausländerbehörde bei einem Feststellungsantrag nach prozessualer Überholung einer Abschiebehaftanordnung nicht stützen, da sie nicht Adressatin des Eingriffs in das Grundrecht der Freiheit der Person gewesen ist. Gleichwohl ist ein Rechtsschutzinteresse zu bejahen, wenn die Ausländerbehörde gegenwärtig betroffen ist und mit ihrem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Zudem ist das Gebot effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen.

2. Es besteht für die Ausländerbehörde nach dem für sie maßgeblichen bundeseinheitlichen Ausländerrecht keine Ermächtigung, selbst ohne richterliche Vorabanordnung Maßnahmen zur Durchsetzung von Abschiebehaft zu treffen. Mithin ist die Ausländerbehörde auch nicht ermächtigt, einen Ausländer zur Vorführung vor den Abschiebungshaftrichter festzunehmen (Fortführung von KG, Beschl. v. 22.3.2002 - 25 W 218/01, KGReport Berlin 2003, 174). Eine Ermächtigungsgrundlage kann sich nur aus dem Strafprozessrecht oder landesrechtlichen Bestimmungen, hier dem Berliner Polizei- und Ordnungsrecht, ergeben. Eine polizeilich in eigener Verantwortung veranlasste Festnahme auf der Grundlage des § 30 ASOG Bln ist nicht gegeben, wenn die Ausländerbehörde nicht lediglich einen Hinweis auf das drohende Untertauchen eines ihr bekannten, illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhältlichen Ausländers erteilt, sondern eine Haftanordnung ausspricht, die sich der Polizei ggü. als verbindlich darstellen musste. Für eine entsprechende Anordnung der Ausländerbehörde fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage.

3. Die Kostenregelung in § 16 FEVG findet keine Anwendung, wenn die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen überprüft wird, die vor der Stellung eines Haftantrages ergangen sind. Insoweit ist § 13a FGG einschlägig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 25.03.2003; Aktenzeichen 84 T 40/03)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70 XIV 393/03 B)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Zivilkammer 84 des LG Berlin vom 25.3.2003 - Aktenzeichen 84 T 40/03 - wird zurückgewiesen.

Die dem Betroffenen in dem Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten werden dem Land Berlin auferlegt.

 

Gründe

I. Der Betroffene reiste erstmals ohne Pass und Visum im ... 2000 ein und stellte am ... 2000 in Berlin einen Asylantrag. Während des Asylverfahrens tauchte er unter. Der Betroffene wurde am ...2002 wegen des Verdachts des Kreditkartenbetrugs vorläufig festgenommen und befand sich in der Folge bis zum ...2003 in Untersuchungshaft.

Der Antragsteller ersuchte am ...2003 die Überführungsstelle des Landeskriminalamtes, den Betroffenen am selben Tag aus der Justizvollzugsanstalt in den Abschiebegewahrsam zu übernehmen. Dies geschah in der Folge. Der Antragsteller versandte seinen Haftantrag vom ...2003 um 11.47 Uhr an das AG Schöneberg. Mit Beschluss vom selben Tag, der nach 18.11 Uhr erging, ordnete das AG die einstweilige Freiheitsentziehung gegen den Betroffenen an.

Mit dem angefochtenen Beschluss des AG Schöneberg vom ...2003 wies das AG u.a. den Antrag des Betroffenen, festzustellen, dass seine Ingewahrsamnahme ohne richterlichen Beschluss rechtswidrig gewesen sei, zurück.

Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG Berlin mit Beschluss vom ...2003 in Abänderung des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die auf Anordnung des Antragstellers beruhende Freiheitsentziehung am ...2003 bis zur Entscheidung des AG Schöneberg vom selben Tag rechtswidrig gewesen sei; und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Land auferlegt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom ...2003, mit welcher der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass die Festnahme und die Ingewahrsamnahme des Betroffenen nicht rechtswidrig gewesen und die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen dem Land daher nicht aufzuerlegen seien. Mit Schriftsatz vom ...2003 hat der Antragsteller sodann wegen eingetretenen Fristablaufs die Erledigung in der Hauptsache erklärt und das Rechtsmittel auf den Kostenpunkt beschränkt.

II. Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist zulässig.

Das LG hat zunächst rechtsfehlerfrei seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Zuständigkeit des AG Schöneberg - als des nach dem Landesrecht Berlins für Entscheidungen des AG über Freiheisentziehungen nach ausländerrechtlichen Bestimmungen zuständigen Gerichts - für das vorliegende Rechtssschutzbegehren gegeben ist, denn sie folgt aus der Regelung des § 13 Abs. 2 FEVG:

Nach § 13 Abs. 1 S. 1 FEVG hat die zuständige Verwaltungsbehörde bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Verwaltungsmaßnahme, die eine Freiheitsentziehung darstellt, unverzüglich die richterliche Entscheidung nach Maßgabe des FEVG herbeizuführen. Wird eine solche Maßnahme der Verwaltungsbehörde angefochten, bestimmt § 13 Abs. 2 FEVG, ...

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