Leitsatz (amtlich)
Zur Sittenwidrigkeit eines am 28.6.1990 über ein Grundstück in der früheren DDR zwischen einem DDR-Bürger als Verkäufer und einem kurz zuvor in die DDR aus Bayern übergesiedelten Käufer geschlossenen Kaufvertrages wegen groben Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Wert des Grundstücks.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 09.01.2002; Aktenzeichen 11 O 341/00) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des KG vom 1.12.2003 wird aufrechterhalten.
Die Anschlussberufung der Kläger gegen das am 9.1.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 11 des LG Berlin - 11 O 341/00 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten seiner Säumnis zu tragen. Von den weiteren Kosten des zweiten Rechtszuges haben der Beklagte 69 % und die Kläger 31 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Berufung des Beklagten und unselbständige Anschlussberufung der Kläger richten sich gegen das am 9.1.2002 verkündete Urteil des LG, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Berufung ist wegen Säumnis des Beklagten im Termin vom 1.12.2003 durch Versäumnisurteil vom selben Tag zurückgewiesen worden. Gegen das ihm am 15.12.2003 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte am 12.12.2003 Einspruch eingelegt. Der Beklagte wiederholt und vertieft im zweiten Rechtszug seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Sowohl eine direkte als auch eine analoge Anwendung von § 138 BGB scheide aus. Das LG habe zu Unrecht eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten angenommen. Die Feststellungen zum Grundstückswert seien unzureichend, das Gutachten fehlerhaft und unvollständig. Dies ergebe sich u.a. aus der Stellungnahme des Dipl.-Ing. S. sowie der Wertermittlung des Sachverständigen A. Es habe sich bei dem Objekt um eine Bauruine gehandelt.
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 1.12.2003 aufzuheben und die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Kläger beantragen, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Im Wege der unselbständigen Anschlussberufung beantragen sie, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 53.684,96 Euro nebst 4 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 14.11.2001 zu zahlen
Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Beklagte hafte auf vollen Wertersatz, da er wusste bzw. hätte wissen müssen, dass die Leistung ohne Anspruch erlangt worden war.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Berufung des Beklagten
Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 1.12.2003 ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Versäumnisurteil nicht in ungesetzlicher Weise ergangen, da den früheren Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Ladung zu dem Termin am 1.12.2003 am 17.6.2002 zugegangen ist. In der Sache hat der Einspruch keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht begründet. Den Klägern, vertreten durch den Nachlasspfleger, steht ggü. dem Beklagten ein Anspruch gem. § 68 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 356 Absatz 1 ZGB; Art 232 § 1 EGBGB i.H.v. 117.876,86 Euro zu.
Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten im Zweiten Rechtszug ist das Folgende auszuführen:
1. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Annahme der Nichtigkeit des Kaufvertrages vom 28.6.1990 (nicht 20.6.1990, wie im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben) infolge Sittenwidrigkeit nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kaufvertrag vor dem 1.7.1990 geschlossen und am 19.10.1990 von der Stadtverwaltung nach der Grundstücksverkehrsordnung genehmigt wurde.
a) Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt betrifft den sensiblen Bereich der Grundstückskaufverträge in der Übergangszeit von der Plan- zur Marktwirtschaft in der DDR (vgl. hierzu Fritsche, NJ 2001, 490 ff.). Aus Sicht der zivilrechtlichen Bewertung solcher Verträge ist grundsätzlich wie folgt zu unterscheiden:
aa) Bis zum 30.6.1990 galten nämlich die DDR-Vorschriften und insbes. die Stopppreise weiter formal weiter. Diese Preisbestimmungen sind erst aufgrund des Gesetzes über die Preisbildung und die Preisüberwachung beim Übergang zur sozialen Marktwirtschaft (PreisG) vom 22.6.1990 mit Wirkung zum 1.7.1990 und damit nach dem o.g. Stichtag aufgehoben worden. Für Verträge, die bis zum 30.6.1990 gesch...