Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Betreibers eines Hotels unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn ein Hotelgast aus einem Fenster stürzt, dessen Brüstungshöhe nicht den Bauvorschriften entspricht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 01.03.2001; Aktenzeichen 16 O 595/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 1.3.2001 verkündete Urteil des LG Berlin - 16 O 595/00 - geändert:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Tatbestand
Die Kläger sind die Hinterbliebenen, und zwar die Klägerin zu 1) die Witwe und der Kläger zu 2) der Sohn des am 7.9.1997 verunglückten F.v.B. und als solche auch dessen Erben. Die Beklagte ist Pächterin des E.H. in B., welches im Eigentum der (streitverkündeten) Vermögensverwaltung E.S. steht.
Das Hotelgebäude wurde im Jahre 1995 auf Grund einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1993 errichtet. Am 28.9.1995 nahm das Bezirksamt N. - Abteilung Bau- und Wohnungswesen - den Bau ab und erteilte am 18.10.1996 den Schlussabnahmeschein. Das Hotel steht insgesamt auf 4,5 m hohen Säulen.
In der Nacht vom 6. auf den 7.9.1997 logierte Herr v.B. in dem von der Beklagten betriebenen E.H. Er bewohnte das Zimmer Nr. 10514, welches in der 5. Etage über den Säulen in einer Höhe von 15,5 m über dem Erdboden und damit 11 m über der unteren Kante des Gebäudes gelegen ist. Das Zimmer verfügt über ein Fenster. Der Abstand zwischen Fußboden und Fensterunterkante beträgt weniger als 80 cm, wobei das exakte Maß zwischen den Parteien streitig ist. In einer Höhe von 95 cm verläuft quer eine Eisenstange mit einem Durchmesser von ca. 4 cm. Diese ist außerhalb des Fensters rechts und links in dem Mauerwerk verankert. Eine innen an der Unterkante angebrachte Schließvorrichtung verhindert, dass Gäste das Fenster weiter als in Kippstellung öffnen können. Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Gäste entriegeln Hotelpagen das Fenster.
Herr v.B. ließ das Fenster öffnen. In der Nacht stürzte er aus dem Fenster und verstarb an den Folgen seiner Verletzungen.
Die Kläger begehren Schadensersatz in Form von Unterhaltsausfall, Beerdigungskosten sowie Schmerzensgeld.
Durch Urt. v. 1.3.2001 hat das LG die Klage abgewiesen.
Die Kläger stellen das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung. Nachdem sie zunächst behauptet hatten, der Abstand zwischen Fußboden und Fenster betrage 77 cm, haben sie ihren Vortrag nunmehr dahingehend korrigiert, dass er lediglich noch 73 cm betrage. Sie sind der Ansicht, das Zimmer liege über dem 5. Vollgeschoss.
Die Kläger beantragen, das am 1.3.2001 verkündete Urteil des LG Berlin - 16 O 595/00 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) einen Betrag i.H.v. jeweils 2.556,46 EUR (= 5.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.2000 bis zum 31.1.2001 sowie nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen,
2. an die Klägerin zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 5.112,92 EUR (= 10.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.2000 bis zum 31.1.2001 sowie nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen,
3. an den Kläger zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 5.112,92 EUR (= 10.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.2000 bis zum 31.1.2001 sowie nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen,
4. an die Klägerin zu 1) für die Zeit vom 1.1.1998 bis 31.8.2000 einen rückständigen Unterhaltsfehlbetrag i.H.v. 8.362,12 EUR (= 16.354,88 DM) sowie ab 1.9.2000 bis zum 31.12.2006 eine monatliche Unterhaltsrente von jeweils 261,32 EUR (511,09 DM) zu zahlen,
5. an den Kläger zu 2) für die Zeit vom 7.9.1997 bis 31.8.2000 einen Unterhaltsfehlbetrag i.H.v. 22.316,54 EUR (= 43.647,35 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.2000 bis zum 31.1.2001 sowie nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen und ab 1.9.2000 eine jeweils im voraus zahlbare Unterhaltsrente i.H.v. 624,90 EUR (= 1.222,20 DM) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers zu 2) zu zahlen,
6. an die Klägerin weitere 3.261,92 EUR (= 6.379,77 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.2000 bis zum 31.1.2001 sowie nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen,
7. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sowohl der Klägerin zu 1) als auch dem Kläger zu 2) jeden weiteren in Zukunft noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem angefochtenen Urteil bei und behauptet:
Der Abstand zwischen Fußboden und Fenster betrage 77 cm. Die von ihr gewählte Konstruktion einer weniger als 80 cm hohen Fensterbrüstung mit einer Metallstange in 95 cm Höhe sei ebenso sicher wie eine Fensterbrüstung in 80 cm Höhe. Ein Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes habe sowohl bei der Erstellung des Hotels als auch nach dem Unfall die bauliche Gestaltung des Fensters ...