Leitsatz (amtlich)

Die Bundesrepublik Deutschland, die in einem ehemaligen Krankenhaus der Volkspolizei der DDR ein Bundeswehrkrankenhaus betreibt, haftet nicht für Schadensersatzforderungen der Patienten, die sich wegen Verletzung des ärztlichen Behandlungsverhältnisses gegen die DDR richten.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 16.07.2002; Aktenzeichen 9 O 15/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.06.2006; Aktenzeichen VI ZR 78/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.7.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung anlässlich ihrer Geburt am 2.11.1986 im damaligen Krankenhaus der V. der DDR in Berlin-Mitte.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird zunächst Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie trägt weiter vor:

Die streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der DDR wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung stünden in engem und unmittelbaren Zusammenhang mit dem durch die Beklagte übernommenen Vermögensgegenstand, des Krankenhauses der V. Die Beklagte habe das Krankenhaus ab 3.10.1990 nahtlos als Bundeswehrkrankenhaus fortgeführt. Der hier vorliegende Fall sei ebenso zu beurteilen wie der durch das OLG Brandenburg entschiedene (OLG Brandenburg v. 2.6.1998 - 2 U 18/96, OLGReport Brandenburg 1999, 346 = NJW 1999, 2530 ff.). Auch dort sei der gesamte Krankenhausbetrieb auf die Beklagte übergegangen, einschließlich der Verträge über die medizinische Betreuung, die nicht in einen bereits erfüllten und einen nicht erfüllten Teil aufgespalten werden könnten. Stünde ihr kein Haftungsgegner zur Verfügung, verstieße dies gegen den Gleichheitssatz und gegen ihr Eigentumsrecht.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

I. die Beklagte zu verurteilen, an sie

1. 789,892,16 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.1996 bis zum 30.3.2000 und seit dem 1.4.2000 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9.6.1998 zu zahlen,

2. eine monatliche Schadensersatzrente i.H.v. weiteren 8.975,28 Euro, beginnend mit dem Januar 2001 in monatlichen Raten spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen,

3. ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld in einer Größenordnung von weiteren etwa 194.290,91 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 16.10.1994 bis zum 30.3.2000 und seit dem 1.4.2000 5 % Zinsen über dem zu Nr. 1. 1. genannten Basiszinssatz zu zahlen,

III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen künftigen materiellen Schaden in voller Höhe zu ersetzen, der auf dem geburtshilflichen und ärztlichen Verhalten im Zusammenhang mit ihrer Geburt am 2.11.1986 beruht,

IV. hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das LG Berlin zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt weiter vor.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der von ihnen im Original oder in Kopie eingereichten Urkunden Bezug genommen.

II. Die Berufung der Klägerin musste zurückgewiesen werden. Sie ist unbegründet. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegen die Beklagte über die von der Versicherung gezahlten Beträge hinaus keine weiteren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zustehen. Das Berufungsvorbringen ändert hieran nichts.

Ob die Klägerin gegen die DDR überhaupt Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche hatte, die sich gem. Art. 232 § 1 EGBGB für vertragliche Ansprüche auf §§ 82 ff. ZGB und für außervertragliche Forderungen auf §§ 330 ff. ZGB stützen ließen (zu den Anspruchsgrundlagen im Einzelnen: Göhring, NJ 1979, 136 f.), kann und muss offen bleiben. Die Klägerin könnte solche Ansprüche nämlich nicht gegen die Beklagte richten. Diese ist nicht passivlegitimiert, weil eventuell bestehende Haftungsverbindlichkeiten der DDR aus dem medizinischen Betreuungsverhältnis, gleich ob sie auf Vertrag oder Delikt beruhen, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf die Beklagte übergegangen sind.

Ein Haftungsübergang kann nicht aus Art. 21 I 1 des Einigungsvertrages (EV) hergeleitet werden, wonach das Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Ver...

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