Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 18.08.2000; Aktenzeichen (530) 81 Js 1174/98 Ns (59/99)) |
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Berlin verworfen. Mit ihrer Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft nur noch gegen den Freispruch vom Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte beteiligte sich am 3. Mai 1998 in Berlin-Kreuzberg an einer Demonstration, die von der Polizei begleitet und beobachtet wurde. Er lief rechts neben einem Lautsprecherwagen. Dabei trug er zusammen mit vorangehenden und ihm folgenden Demonstrationsteilnehmern auf seiner rechten Seite ein etwa 10 m langes und 1,5 m hohes Stofftransparent mit einer Aufschrift. Überwiegend hielt er das Transparent mit dem oberen Rand in Schulterhöhe. Zeitweilig hob er es höher, so dass sein Gesicht zumindest teilweise seitlich verdeckt wurde. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass er damit bezweckte, sein Gesicht zu verstecken, um nicht identifiziert zu werden. Ansonsten war das Gesicht des Angeklagten gut erkennbar, auch wenn er eine Schirmmütze und darüber die Kapuze eines dunklen Pullovers trug.
Nach Auffassung der Polizei verstießen Demonstrationsteilnehmer gegen das sogenannte Vermummungsverbot in § 17a Abs. 2 Versammlungsgesetz, wenn sie ihr Gesicht auch nur teilweise hinter dem Transparent verbargen. Nicht feststellbar war, dass die Teilnehmer dementsprechend angewiesen wurden, Handlungen dieser Art zu unterlassen. Als der Zug eine Straßenkreuzung erreichte, erteilte die Einsatzleitung den Befehl, die neben dem Lautsprecherwagen laufenden Demonstranten festzunehmen. Die ausführenden Beamten entrissen ihnen das Transparent und bemühten sich, die betroffenen Personen, die sich untergehakt hatten, zu trennen. Zwei Beamten gelang es, aus der Gruppe den Angeklagten herauszuziehen, der sich dagegen stemmte. Dabei stürzte er zu Boden. Die Beamten fielen halb über ihn. Der Angeklagte widersetzte sich den beiden Beamten auch noch, als sie ihn zu einem Funkwagen führten, indem er in die entgegengesetzte Richtung strebte und mit den Armen ruderte.
II.
Der von der Staatsanwaltschaft allein noch beanstandete Freispruch vom Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ist im Ergebnis zu Recht ergangen. Eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 113 Abs. 1 StGB scheidet nach Abs. 3 dieser Vorschrift aus, weil die Diensthandlung, gegen die er sich zur Wehr setzte, nicht rechtmäßig war.
Die Rechtswidrigkeit beruht allerdings entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf, dass es an spezifischen rechtlichen Voraussetzungen für die hier durchgeführte Festnahme gefehlt hat. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung gemäß § 113 Abs. 3 StGB nach eigenständigen strafrechtlichen Kriterien zu beurteilen ist, die geringere Anforderungen stellen (vgl. BGHSt 4, 161, 163 f.; 21, 334, 363; KGStV 2001, 260; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 113 StGB Rdn. 11 ff. m.w.N.). Das Vorgehen der Polizei gegen den Angeklagten genügte aber auch diesen Anforderungen nicht. Unbeachtet blieb als eine Voraussetzung strafrechtlicher Rechtmäßigkeit gem. § 113 Abs. 3 StGB, dass die wesentlichen Förmlichkeiten der Vollstreckungshandlung einzuhalten sind (vgl. zu dieser Voraussetzung Tröndle/Fischer, § 113 StGB Rdn. 13; Eser in Schänke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 113 Rdn. 26, jeweils m.w.N.). Eine Festnahme zur Identitätsfeststellung, wie sie hier von der Polizei vorgenommen wurde, setzt als wesentliche Förmlichkeit gemäß § 163b Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO voraus, dass dem Betroffenen bei Beginn der Maßnahme eröffnet wird, welcher Tat im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) er verdächtig erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1991, 580 und VRS 58, 398, 400; OLG Köln, StV 1982, 359; KG, StV 2001, 260, 261; Eser in Schänke/Schröder, aaO., Rdn. 26; v. Bubnoff in LK, StGB, 11. Aufl., Rdn. 30b; jeweils zu § 113 StGB; Achenbach in AK, StPO, Rdn. 18; Wolter in SK, StPO, Rdn. 29; jeweils zu § 163b StPO), es sei denn, dass die Belehrung den Vollstreckungszweck gefährden würde oder der Grund für die Identitätsfeststellung auf der Hand liegt (vgl. OLG Hamm, NStZ 1982, 76, 77; KG, StV 2001, 260, 261; v. Bubnoff, aaO., § 113 Rdn. 30b).
Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen ist davon auszugehen, dass dem Angeklagten der Grund der Festnahme zur Identitätsfeststellung, nämlich der Verdacht eines Verstoßes gegen § 17a Abs. 2 Nr. 1 Versammlungsgesetz, nicht vorab eröffnet wurde. Zwar sind die Feststellungen des Landgerichts insoweit lückenhaft. Es wird lediglich erörtert, ob eine gen...