Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erstattung fiktiver Reparaturkosten
Normenkette
BGB §§ 249, 251
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 102/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.6.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM nicht.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich: Das LG hat dem Kläger zu Unrecht weiteren Schadensersatz auf Reparaturkostenbasis zugesprochen, so dass das angegriffene Urteil entsprechend zu ändern war.
I. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für die Schäden des Klägers aus dem Unfall v. 30.10.1999 ist außer Streit. Nach einer Zahlung der Beklagten zu 1) i.H.v. 16.499,08 DM steht dem Kläger jedoch weiterer Ersatz für „fiktive” Reparaturkosten auf Grundlage des Gutachtens M.S. v. 1.11.1999 (Bl. 48 d.A.) i.H.v. 7.038,10 DM nebst anteiligen Zinsen nicht zu, denn insoweit hat er weder ein Integritätsinteresse dargelegt noch ist dieses anderweitig erkennbar.
1. Geldersatz zum Ausgleich für einen Schaden, der durch einen Verkehrsunfall an einem gebrauchten Fahrzeug entstanden ist, ist nach den §§ 249 S. 2, 251 Abs. 2 S. 1 BGB nur geschuldet, soweit er zur Schadensbeseitigung erforderlich ist.
Bei der Beschädigung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges kann der Geschädigte grundsätzlich zwischen Reparatur und Wieder- bzw. Ersatzbeschaffung wählen. Ersatz kann er aber nur insoweit beanspruchen, als er die Maßnahme wählt, die den geringsten Kostenaufwand erfordert: Der Schädiger muss dem Geschädigten nur diejenigen Aufwendungen abnehmen, „die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen” (BGH v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131).
Nach diesem Wirtschaftlichkeitsgebot bemisst sich, ob im Einzelfall ein Unfallschaden durch Zahlung der Reparaturkosten oder der Wiederbeschaffungskosten eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges zu ersetzen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Integritätsinteresse des Geschädigten, also sein „Interesse an dem Erhalt seines Vermögens in dessen konkreter Zusammensetzung” (BGH v. 8.12.1998 – VI ZR 66/98, NJW 1999, 500 = MDR 1999, 293).
Sofern der Geschädigte dieses Interesse dadurch zum Ausdruck bringt, dass er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, kann er selbst dann Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 % übersteigen. Einer Kürzung des Wiederbeschaffungswertes um den Restwert des Fahrzeuges bedarf es bei Berechnung dieses Integritätszuschlages nicht, denn dieser Restwert wird durch die jew. Reparaturkosten „mitrepräsentiert” (BGH v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131; kritisch zu dieser Berechnung des Zuschlages Sanden/Völz, Sachschadensrecht des Kraftverkehrs, 7. Aufl. 2000, Rz. 75 ff.).
Beschränkt sich der Geschädigte jedoch darauf, Reparaturkosten auf Gutachtenbasis geltend zu machen, ohne den Fahrzeugschaden tatsächlich zu beseitigen, bleibt es zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit bei einer postengenauen Vergleichsrechnung zwischen den verlangten Reparaturkosten und den Kosten für eine Wiederbeschaffung mit der Folge, „dass der Geschädigte, wenn er kein Interesse an der Reparatur des Unfallfahrzeugs darlegt, sich bei der Abrechnung nach fiktiven Reparaturkosten im Allgemeinen in der durch die Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungswert gezogenen Grenze halten muss” (BGH v. 5.3.1985 – VI ZR 204/83, NJW 1985, 2469 = MDR 1985, 748; v. 15.10.1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 = MDR 1992, 131; KG, Urt. v. 29.5.2000 – 12 U 9626/98; OLG Hamm, Urt. v. 22.4.1993 – 6 U 259/92, r+s 1993, 379). In diesem Fall ist auf der Seite der Ersatzbeschaffung der Restwert vom Wiederbeschaffungswert abzuziehen, denn er wird nicht durch tatsächlich zu zahlende Reparaturkosten berücksichtigt (vgl. auch KG, Urt. v. 29.5.2000 – 12 U 9626/98; Urt. v. 12.2.1996 – 12 U 7636/94).
2. Unter diesen Vorgaben ist dem Kläger eine Abrechnung der Reparaturkosten auf Grundlage des Gutachtens M. Schmidt v. 1.11.1999 (Bl. 48 d.A.) verwehrt, denn diese Kosten übersteigen die Wiederbeschaffungskosten deutlich, ohne dass dies durch ein Integritätsinteresse gerechtfertigt wäre.
a) Ein möglicherweise ursprünglich bestehendes berechtigtes Integritätsinteresse hat der Kläger durch sein eigenes Verhalten aufgegeben. Er hat das beschädigte Fahrzeug nach dem Unfall nicht reparieren lassen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG hat er vielmehr zu Prot. gegeben, er habe den streitgegenständlichen Wagen verschrottet (Prot. Bl. 77 d.A.). Weitere erläuternde Einzelheiten zu den Umständen dieser Verschrottung, etwa die Erzielung eines eigenen Restwertes, hat der Kläger auch nach entsprechender Rüge der Beklagten nicht vorgetragen. Na...