Leitsatz (amtlich)
Der wegen Hausfriedensbruchs gestellte Strafantrag eines Vermieters gegen Untermieter und deren Sympathisanten, die sich gegen eine Zwangsräumung zur Wehr setzen, ist unwirksam, wenn der Vermieter keine gerichtliche Klärung herbeigeführt hat, dass (auch) die Untermieter zur Räumung verpflichtet sind. Das Hausrecht der Untermieter endet erst, wenn der Vermieter aufgrund eines gegen sie erwirkten Räumungstitels wieder den unmittelbaren Besitz am Mietgegenstand erlangt hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 16.04.2008; Aktenzeichen (570/562) 81 Js 2890/06 Ns (149/07)) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das
Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. April 2008 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft legt der Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruch zur Last, indem sie sich spätestens am 6. Juni 2005 gegen den Willen des Hausrechtsinhabers in das Haus Y.straße 59 in Berlin-Kreuzberg begeben und dort auf Grund eines gemeinsamen Tatentschlusses mit 145 weiteren Personen im Hinterhaus aufgehalten habe, obwohl ihr bewusst gewesen sei, dass das Haus zwangsweise geräumt werden sollte; gegen 7.14 Uhr des 6. Juni 2005 sei sie von Polizeikräften aus dem Gebäude verbracht worden. Das Amtsgericht Tiergarten hat das Verfahren durch Urteil gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, weil kein wirksamer Strafantrag vorliege. Das Landgericht hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vermietete Ende der achtziger Jahre die damalige Eigentümerin des Grundstückes Y.straße 59 in Berlin-Kreuzberg das darauf befindliche vierstöckige Hinterhaus mit einer Nutzfläche von etwa 2.600 qm an den Verein "F. e.V." (im Folgenden: Verein). Dem Verein, der den Zweck verfolgte, dort ein Wohnprojekt zu etablieren, wurde gestattet, die Räume zur dauerhaften Wohnnutzung an seine Mitglieder unterzuvermieten. In den folgenden Jahren lebten und arbeiteten in dem Haus eine Vielzahl von Personen.
Am 20. Dezember 2003 erwarben die Gesellschafter der GbR Y.straße 59, W. und die W. Verwaltungsgesellschaft mbH, deren Geschäftsführer W. war, das Grundstück; sie wurden als Eigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts am 12. Oktober 2004 in das Grundbuch eingetragen.
Nachdem Verhandlungen zwischen den neuen Eigentümern und dem Verein über die neu festzusetzende Miethöhe gescheitert waren, verzichtete der Verein am 30. September 2004 auf die Ausübung seiner Option, das Mietverhältnis fortzusetzen, das daraufhin endete. Zu dieser Zeit bewohnten etwa 60 Vereinsmitglieder in mehreren Wohngemeinschaften aufgrund von Untermietverträgen das Hinterhaus. Der Verein hatte in den Jahren 1993 bis 1994 mit seinen Mitgliedern mehrere schriftliche Untermietverträge abgeschlossen und ihnen die Wohnraumnutzung auf unbestimmte Zeit gegen Zahlung eines Mietzinses überlassen. Die vereinbarte Kündigungsfrist betrug drei Monate. Die Untermieter durften bei Auszug einen Nachmieter bestimmen. Später wurden teilweise auch lediglich mündliche Untermietverträge geschlossen.
Der Verein und die Untermieter räumten das Gebäude nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. September 2004 nicht. Die GbR Y.straße 59 (im Folgenden: GbR) verklagte daraufhin den Verein. Antragsgemäß verurteilte das Landgericht Berlin den Verein am 29. November 2004, die Räumlichkeiten des Objekts in der Y.straße 59 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben sowie Auskunft darüber zu geben, welche Personen aufgrund von Untermietverträgen die Räume im 1. bis 4. Geschoss des Gebäudes nutzen. In den Urteilsgründen führte das Gericht aus, dass der Auskunftsanspruch bestehe, weil die GbR zur Geltendmachung der Räumungsansprüche gegen die Untermieter auf die entsprechenden Auskünfte angewiesen sei. Das Urteil wurde am 4. März 2005 rechtskräftig.
Bereits am 25. Februar 2005 hatte der Verein eine Mitgliederversammlung einberufen. In dieser Versammlung, bei der die Bewohner des Hauses Y.straße 59 anwesend waren, wurden ihnen die Konsequenzen des Gerichtsurteils erläutert und die Kündigung der Untermietverträge ausgesprochen. Daraufhin brach unter den Versammlungsteilnehmern, die dies nicht hinnehmen wollten und sich durch den Vorstand "verraten" fühlten, ein Tumult aus, der zur Auflösung der Versammlung führte.
Nach der Rechtskraft des Urteils wurde der Obergerichtsvollzieher L. mit der Räumung des Hinterhauses in der Y.straße 59 beauftragt. Der Obergerichtsvollzieher war der Rechtsauffassung, dass gesonderte Titel gegen die Untermieter nicht notwendig seien, weil es sich um einen Gewerbemietvertrag handele. Er rechnete allerdings damit, dass aufgrund der Untermietverträge Vollstreckungseinwände erhoben würden und hätte die Vollstreckung des Titels dann sofort abgebrochen. Da bereits im Vorfeld deutlich ...