Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verbraucherbauvertrag über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude (§ 650i Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass das Auftragsvolumen dem eines Vertrags über die Errichtung eines Neubaus gleichkommt sowie dass der Verbraucher grundsätzlich mit sämtlichen der von ihm geplanten Baumaßnahmen nur einen einzigen Unternehmer beauftragt hat.

2. Widerruft der Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkvertrag gemäß § 312g BGB, so steht dem Unternehmer für bereits erbrachte Leistungen nur unter den Voraussetzungen von § 357 Abs. 8 BGB Wertersatz zu; § 357d BGB ist nicht analog anwendbar.

3. Beruft sich ein Verbraucher auf den Ausschluss des Wertersatzes zugunsten des Unternehmers gemäß § 357 Abs. 8 BGB, so kann dies im Einzelfall treuwidrig sein, § 242 BGB. Die Voraussetzungen eines solchen Einzelfalls sind vom Unternehmer darzulegen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 8 O 166/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. März 2021 unter Aufhebung der Kostenentscheidung wie folgt geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.507,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 9. Juni 2020 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses in 9xxxx B. Der Beklagte ist selbständiger Schreinermeister.

2016 hatte der Kläger den Beklagten damit beauftragt, eine Treppe in dem Haus abzuschleifen.

Aus Anlass eines Mieterwechsels wollte der Kläger 2019 im Obergeschoss des Hauses Wände, Decken und Böden renovieren. Am 25. April 2019 fragte er beim Beklagten per Mail an, ob er Interesse habe, die Sanierung der Böden und eventuell der Türen zu übernehmen. Der Beklagte bejahte dies.

Nachdem er die Baustelle besichtigt hatte, wobei der Kläger nicht anwesend war, übermittelte der Beklagte dem Kläger eine "Schnellkalkulation der besprochenen Arbeiten" per Mail, Anlage B 3. Weitere Mails zwischen den Parteien schlossen sich an, unter anderem stellte der Beklagte den Kontakt zwischen einem ihm bekannten Elektriker und dem Kläger her.

Am 28. Juni 2019 trafen sich der Kläger und der Beklagte auf der Baustelle in B. Dort erteilte der Kläger dem Beklagten mündlich den Auftrag, Bauarbeiten auszuführen, die im Einzelnen nicht vorgetragen sind, zu denen aber unter anderem die Herstellung einer Untersparrendämmung unter den Dachschrägen des Hauses gehörte.

Der Beklagte begann mit den Arbeiten. Am 14. Juli 2019 stellte er dem Kläger eine Abschlagsrechnung über 5.507,45 EUR (einschließlich Umsatzsteuer), die der Kläger bezahlte.

Danach gerieten die Parteien in Streit über die Abrechnung der Leistungen. Der Beklagte legte weitere Rechnungen, die der Kläger nicht mehr bezahlte.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 erklärte der Kläger den Widerruf des Vertrages vom 28. Juni 2019 und forderte die geleisteten 5.507,45 EUR binnen 14 Tagen zurück. Zur Begründung führte er aus, bei dem Vertrag handele es sich um einen Außer-Geschäftsraum-Vertrag. Da der Beklagte ihn nicht über sein Widerrufsrecht belehrt habe, erlösche dieses erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, sodass er es noch ausüben könne.

Nachdem der Beklagte keine Zahlung leistete, hat der Kläger vor dem Landgericht Berlin Klage auf Rückzahlung des Betrags von 5.507,45 EUR nebst Zinsen erhoben.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. März 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den Vertrag mit dem Beklagten zwar wirksam gemäß §§ 312b, 312g BGB widerrufen, sodass dieser die erhaltenen Zahlungen zurückgewähren müsse. Darauf müsse er sich aber analog § 357d S. 1 BGB den Wert der vom Beklagten geleisteten Arbeiten anrechnen lassen, was zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs führe.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 5.507,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 9. Juni 2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Beklagte zurückzuweisen.

II. Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist dahin abzuändern, dass der Beklagte gemäß dem Klageantrag zur Zahlung verurteilt wird.

1. Anwendbares Recht

Auf den Vertrag findet das BGB mit den Änderungen Anwendung, die durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts (BauVertrRRG) mit Wirkung vom 1. Januar 2018 in Kraft getreten sind, Art. 229 § 39 EGBGB.

2. Rückerstattungsanspruch des Klägers aus § 357 Abs. 1 BGB

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückerstattung der 5.507,45 EUR (einschließlich Umsatzsteuer), die er auf den Bauvertrag vom 28. Juni 2019 an den Beklagten geleistet hatte (§ 357 Abs. 1 BGB).

a) Bauvertrag zwischen den Parteien, § 650a ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge