Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist bei der Verwirklichung des großen Schadensersatzes im Falle einer Medienfondsbeteiligung keine Anrechnung von Steuervorteilen vorzunehmen. Eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung kommt nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Generiert die Kommanditbeteiligung an einem Medienfonds selbst steuerlich gewerbliche Einkünfte, sind alle Zahlungen, die der Anleger im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der KG erhält, mithin auch die Schadensersatzleistung, als Betriebseinnahmen i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. In einem solchen Fall müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleitung auswirkt.
2. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen. Aufgrund der Konstruktion des VIP Medienfonds 2 erhielt der Anleger für 2002 eine Verlustzuweisung, die ca. 92 % der Nominaleinlage beträgt, während als Anlagebetrag nur 55 % der Einlage zzgl. 3 % Agio zu leisten waren. Damit sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Anleger außergewöhnliche Vorteile erzielt hat.
3. In einem solchen Fall ist eine konkrete Berechnung vorzunehmen, die die Feststellung der Auswirkung der Besteuerung der Ersatzleistung durch Gegenüberstellung der erzielten Vorteile mit den Nachteilen aus der zu prognostizierenden Steuerlast zu berücksichtigen hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 14.09.2011; Aktenzeichen 38 O 587/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 14.9.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 38 des LG Berlin - 38 0 587/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.211,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2011 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen künftigen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 3.6.2002 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 2 GmbH & Co. KG im Nennwert von 25.000.00 EUR resultieren.
3. Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1. und 2. erfolgt jeweils Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 3.6.2002 gezeichneten Beteiligung an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 2 GmbH & Co. KG im Nennwert von 25.000.00 EUR sowie Abtretung aller Rechte an dieser Beteiligung an die Beklagte.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 77 % und der Kläger zu 23 % zu tragen.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des LG ist, soweit die Berufung zurückgewiesen wird, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 14.9.2011 verkündete Urteil der Zivilkammer 38 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:
Zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag nicht zustande gekommen, der Kläger trage eine Beratung nicht ansatzweise substantiiert vor. Bei den an die Beklagte geflossenen Zahlungen handele es sich nicht um sog. "Kick Backs" im Sinne der BGH-Rechtsprechung vom 19.12.2006 (BGHZ 170, 226) und 20.1.2009 - XI ZR 510/07 - (NJW 2009, 1416), sondern um Innenprovisionen, über die nach Klarstellung durch den BGH mit Urt. v. 27.10.2009 - XI ZR 338/08 - nicht gesondert aufzuklären sei. Selbst wenn man von aufklärungspflichtigen Zahlungen an die Beklagte ausgehen wollte, habe der Prospekt hierüber jedenfalls in hinreichender Form informiert. Die Beklagte habe sich bei der Beratung des Klägers nicht in einer Interessenkollision befunden. Sie, die Beklagte, habe auch nach der neueren Rechtsprechung des BGH nicht schuldhaft gehandelt, wenn sie davon ausgegangen sei, über eine nicht über 15 % hinausgehende Vertriebsprovision nicht aufklären zu müssen.
In Bezug auf die Kausalität habe das LG ihr Beweisangebot (Vernehmung des Klägers als Partei) übergangen. Die Einrede der Verjährung werde aufrechterhalten. Wenn dem Kläger tatsächlich ein Schadensersatzanspruch zustünde, müsste er die von ihm gezogenen Steuervorteile darlegen und sich anrechnen lassen.
Die ...