Leitsatz (amtlich)
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat nur das Vermögen des Schuldners zu Gunsten aller Gläubiger zu sichern und nicht einzelne Gläubiger vorab zu befriedigen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 27.01.2004; Aktenzeichen 19 O 398/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.1.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des LG Berlin - 19 O 398/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter Schadenersatz wegen Widerrufs von Lastschriften auf dem Konto der Schuldnerin, die zu Gunsten der Klägerin im Wege der Einziehung erfolgt waren. Die Lastschriften waren mit einem Einziehungsvermerk versehen.
Die Schuldnerin hatte der Klägerin einen Abbuchungsauftrag erteilt, von dem die Klägerin aber, wie sie behauptet hat, versehentlich keinen Gebrauch gemacht hatte.
Entscheidungsgründe
A. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 19 des LG Berlin Bezug genommen, das der Klägerin am 26.2.2004 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat dagegen am
24.3.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26.5.2004 an diesem Tag begründet.
Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vortrag zu der allein streitigen Rechtsfrage fest, dass der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter nicht berechtigt war Lastschriften auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin ohne weitere Prüfung zu widerrufen. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe keinen anerkennenswerten Grund gehabt, am 2.5.2003 die Lastschriften, die in der Zeit vom 10. Februar bis zum 6.4.2003 zu ihren Gunsten erfolgt waren, zu widerrufen. Ein anerkennenswerter Grund ergebe sich nicht aus der Insolvenzordnung. Der vorläufige Insolvenzverwalter sei zur Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung nicht befugt. Außerdem liege den Lastschriften ein unanfechtbares Bargeschäft zugrunde.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 108.862,69 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch den vollständigen oder teilweisen Ausfall mit der Forderung i.H.v. 108.862,69 Euro in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. GmbH mit dem Sitz in ... entstehen wird.
Der Beklagte beantragt, die Berufung - auch hinsichtlich des Hilfsantrags - zurückzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertritt weiterhin die Ansicht, dass er weder objektiv noch subjektiv gegen seine Pflichten als vorläufiger Insolvenzverwalter verstoßen habe.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B. Die Berufung form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.
I. Ein mit dem Hauptantrag geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 108.862,69 Euro gegen den Beklagten steht der Klägerin nicht zu. Es steht noch nicht fest, in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihren - unstreitig bestehenden - Anspruch gegen die L. GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) aus der Insolvenzmasse jedenfalls teilweise befriedigen wird.
II. 1. Der Hilfsantrag der Klägerin ist gem. §§ 531 Abs. 2 Nr. 1, 525 S. 1, 260, 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Im Übrigen kann dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte ein rechtliches Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO an der baldigen Feststellung hat, dass der gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach besteht. Auf das besondere Feststellungsinteresse kommt es dann nicht an, wenn sich der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich als unbegründet erweist (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rz. 7).
2. Der Hilfsantrag ist unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch den vollständigen oder teilweisen Ausfall der Forderung i.H.v. 108.862,69 Euro gegen die Insolvenzschuldnerin in dem Insolvenzverfahren über deren Vermögen entstehen wird.
Ein Anspruch auf Schadensersatz steht der Klägerin dem Grunde nach aus §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 60 Abs. 1 InsO nicht zu. Danach ist der vorläufige Insolvenzverwalter allen Beteiligten nur dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Das ist hier nicht der Fall. Der Be...