Leitsatz (amtlich)

1. Durch Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) gesicherte Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften (§ 1 Abs. 4 EAEG) sind nicht entschädigungsfähig i.S.v. §§ 3, 4 EAEG.

2. Der Anspruch auf Entschädigung (§§ 3, 4 EAEG) ist grundsätzlich nicht fällig i.S.v. § 5 Abs. 4 EAEG, wenn die abschließende Prüfung der angemeldeten Ansprüche durch die Entschädigungseinrichtung wegen der Problematik, ob und inwieweit Aussonderungsrechte des Anlegers bestehen, gehindert ist.

3. Der Anspruch auf Entschädigung (§§ 3, 4 EAEG) ist nicht um die dem Institut nach dem Vertrag geschuldete Verwaltungsgebühr (Bestandsprovision) zu kürzen, wenn das Institut die eingezahlten Gelder im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und zur Deckung von Gebühren und Provisionen verwendet hat.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 07.05.2010; Aktenzeichen 3 O 401/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Berlin vom 7.5.2010 - 3 O 401/09 - teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 1.876,95 EUR und an den Kläger zu 2) 1.895,35 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger vorab die Kosten der Anrufung des unzuständigen VG zu tragen; im Übrigen haben zu tragen von den Gerichtskosten die Klägerin zu 1) 31 %, der Kläger zu 2) 55 % und die Beklagte 14 %, von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) die Beklagte 30 % und diese selbst 70 %, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) die Beklagte 20 % und dieser selbst 80 % und von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Klägerin zu 1) 26 %, der Kläger zu 2) 50 % und die Beklagte 24 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1) 40 % und der Kläger zu 2) 60 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger - Anleger der im Jahr 2005 in Insolvenz gefallenen Phoenix Kapitaldienst GmbH mit Sitz in Frankfurt a.M. - nehmen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz vom 16.7.1998 (EAEG, BGBl. I, 1842) und im Übrigen auf Feststellung der Hauptsachenerledigung in Anspruch, nachdem die Beklagte ihnen zwischenzeitlich eine Teilentschädigung geleistet hat.

Die Kläger beteiligten sich an dem Phoenix Managed Account (PMA) der Phoenix Kapitaldienst GmbH (P. GmbH), einem Wertpapierhandelsunternehmen im Sinne des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (EAEG). Das EAEG setzte im Jahr 1998 die Richtlinien 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. EG Nr. L 135 vom 31.5.1994, S. 5-14) und 97/9/EG über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. EG Nr. L 84 vom 26.3.1997, S. 22-31) in nationales Recht um. Mit dem Gesetz zur Änderung des EAEG vom 25.6.2009 (BGBl. I, 1528) setzte die Bundesrepublik die Richtlinie 2009/14/EG vom 11.3.2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme (ABl. EG Nr. L 86 vom 13.3.2009, S. 3 ff.) in nationales Recht um. Am 12.7.2010 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG (2010/01999 - COD) vor.

Die P. GmbH war seit 1976 auf dem sog. grauen Kapitalmarkt tätig. Seit 1992 bot sie die Beteiligung an dem PMA an, einer von ihr verwalteten Anlage in Derivaten.

Nach dem vorgegebenen Geschäftsmodell sollten die Anleger sich an einer Kollektivanlage (sog. Finanzpool) beteiligen und die P. GmbH die Mittel für Options- und Termingeschäfte an verschiedenen Waren- und Devisenmärkten verwenden. Die P. GmbH führte die Wertpapiergeschäfte über verschiedene Brokerhäuser aus und unterhielt dazu bei diesen Gemeinschaftstreuhandkonten für das PMA. Der einzelne Anleger war mit seinem Kapital an der Entwicklung des Gemeinschaftsvermögens beteiligt und sollte, der Höhe nach abhängig vom Wert seines Kapitalanteils zu Beginn der jeweiligen Abrechnungsperiode, am Handelserfolg partizipieren (Ziff. 7 der AGB PMA). Die P. GmbH erhob ein variables Agio bei Zahlung der Ersteinlage, ferner eine Verwaltungsgebühr (Bestandsprovision) von 0,5 % pro Monat vom jeweiligen Vermögensstand des PMA (Ziff. 10 der AGB). Ihr standen Teile der Transaktionskosten für jeden vorgenommenen Handel sowie die Zinsen zu, welche die Broker für die auf den Treuhandkonten liegenden Gelder zahlten, sowie ein Anspruch i.H.v. 30 % der erzielten Handelsgewinne ihrer Anleger pro Abrechnungsperiode. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Ausgestaltung wird auf die eingereichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des PMA Bezug genommen.

Ab dem 1....

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