Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 94 O 43/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Oktober 2017 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 94 des Landgerichts Berlin - 94 O 43/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns gemäß § 631 Abs. 1 BGB in Höhe von 11.777,40 EUR.

1. Auch wenn man davon ausgeht, dass in Fällen wie dem Vorliegenden eine ergänzende Vertragsauslegung geboten ist, weil in dem Werkvertrag der Parteien vom 17. August 2011 (Anl. ...) und den beauftragten Nachträgen eine Vertragslücke besteht, kann eine ergänzende Vertragsauslegung im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass der Vergütungsanspruch um den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbetrag von 11.777,40 EUR zu erhöhen ist, solange nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger das Empfangene als Umsatzsteuer abzuführen hat.

Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass dann, wenn ein Bauunternehmer und ein Bauträger bei einem zwischen ihnen vor Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) abgeschlossenen und durchgeführten Bauvertrag übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gemäß § 13b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011 ausgegangen sind und der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat, dem Bauunternehmer aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags zusteht, wenn der Bauträger Erstattung der Steuer verlangt und deshalb für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 -, zitiert nach juris).

Bis zum Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) entsprach es auf Grundlage der einschlägigen Umsatzsteuer-Richtlinie der bundesweiten Praxis der Finanzverwaltung, bei Bauträgern wie im Streitfall deren Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b UStG a. F. anzunehmen. Daran haben sich die Vertragsparteien bei derartigen Verträgen mit Bauträgern vielfach orientiert. Die vorliegende Auslegungsproblematik ist dementsprechend Gegenstand einer Vielzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 8. März 2018 - 8 U 80/17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. November 2017 - 23 U 23/16; OLG Frankfurt, Urteil vom 16. Oktober 2017 - 29 U 182/16; OLG Köln, NZBau 2017, 44; LG Heilbronn, Urteil vom 18. Dezember 2017 - 6 O 344/17; LG Düsseldorf, Urteil vom 22. Dezember 2016 - 16 O 325/15; LG Bonn, Urteil vom 20. Juli 2016 - 1 O 12/16; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 1 O 1399/15). Der Bundesgerichtshof hat deshalb festgestellt, dass im Interesse der Rechtssicherheit und der einheitlichen Handhabung der auf diese Praxis der Finanzverwaltung ausgerichteten Verträge eine allgemein verbindliche Auslegung sachlich geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 -, juris Rn. 21). Der erkennende Senat hat keine Zweifel daran, dass er sich an dieser durch den Bundesgerichtshof getroffenen Entscheidung zu orientieren und ihr zu folgen hat.

Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vereinbarungen der Parteien eine Regelungslücke aufweisen.

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, d.h. eine planwidrige Unvollständigkeit, aufweist. Das ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BGH a. a. O., Rn. 23 m. w. N.).

Eine solche Regelungslücke ist gegeben. Die Parteien haben keine Regelung für den Fall getroffen, dass für die Insolvenzschuldnerin die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldnerin die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr beruht auf dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10, BFHE 243, 20) und der Reaktion der Beklagten hierauf. Der von ihr gestellte Erstattungsantrag begründet gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Befugnis des Finanzamts, die gegen die Insolvenzschuldnerin wirkende Steuerfestsetzung zu ändern (BGH a...

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