Leitsatz (amtlich)
1.a) Der Erwerb von Forstflächen nach § 3 Abs. 8 AusglLeistG dient der Waldprivatisierung und nicht der Kompensation der Alteigentümer für erlittene entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage.
b) Berechtigte nach § 3 Abs. 8 lit. c) AusglLeistG genießen dementsprechend grundsätzlich keinen Vorrang vor Interessenten nach § 3 Abs. 8 lit. b) AusglLeistG.
2. Wird eine Waldfläche nach § 4 Abs. 5 S. 3 FlErwV veräußert, weil kein Bewerber ein besseres Betriebskonzept vorlegt, als die anderen, dann prüft das Zivilgericht in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB, ob die Ermessensentscheidung der Privatisierungsstelle der Billigkeit entspricht und trifft die Bestimmung, wenn das zu verneinen ist, durch Urteil selbst. Die gerichtliche Entscheidungskompetenz beschränkt sich in einem solchen Fall nicht lediglich darauf, die Privatisierungsstelle durch Bescheidungsurteil entspr. § 113 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 114 VWGO zu einer erneuten Ermessensausübung zu verpflichten.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 3; AusglLeistG § 3 Abs. 8; FlErwV § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.01.2003; Aktenzeichen 3 O 494/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 10.1.2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des LG Berlin geändert:
Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, das Forstgut „R.” an einen anderen als den Antragsteller zu veräußern.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; der Streithelfer trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist die von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben beauftragte Stelle für die Privatisierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen in den neuen Bundesländern. Der Antragsgegner und die Streithelfer bewerben sich um den Ende 2001 von der Antragsgegnerin zum Erwerb ausgeschriebenen, in Sachsen-Anhalt gelegenen Forst „R.” mit einer Gesamtfläche von ca. … ha zum vorläufig festgesetzten Kaufpreis von … Euro. Die Streithelfer sind Alteigentümer, denen land- oder forstwirtschaftliches Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist (§ 3 Abs. 5 S. 1 AusglLeistG), und zwar hat die Familie des Streithelfers von V. 1.700 ha auf diese Weise verloren. Er hat in der Vergangenheit 430 ha forstwirtschaftliche Flächen zu EALG-Bedingungen erworben.
Sowohl der Antragsteller als auch die Streithelfer haben ein Betriebskonzept i.S.v. § 4 Abs. 5 S. 1 Flächenerwerbsverordnung vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat beide Konzepte für im Wesentlichen gleichwertig erachtet und den Antragsteller mit Schreiben vom 25.6.2002 darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie sich im Rahmen des billigen Ermessens i.S.v. § 4 Abs. 5 S. 3 Flächenerwerbsverordnung für einen anderen Mitbewerber (scil.: die Streithelfer) entschieden habe und ausgeführt, der Ermessensgrund sei u.a., dass der vorrangig berücksichtigte Bewerber als einziger Mitbewerber in der „engeren Wahl” über eine Ausgleichsleistung nach § 3 Abs. 5 Ausgleichsleistungsgesetz i.H.v. mehr als 30 % des EALG-Kaufpreises verfüge (Anlage ASt 3). An dieser Absicht hat die Antragsgegnerin auch festgehalten, nachdem der vom Antragsteller angerufene EALG-Beirat Sachsen-Anhalt eine Vergabe an den Antragsteller befürwortet hatte (Anlagen ASt 4 und 5).
Daraufhin hat der Antragsteller beim LG Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt werden sollte, das Forstgut zu veräußern. Durch das angefochtene Urteil vom 10.1.2003 hat das LG der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel und unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags untersagt, das Forstgut bis zu einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers über den Ankauf des Forstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu veräußern.
Das LG hat dem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben, weil es nicht als hinreichend glaubhaft gemacht angesehen hat, dass der Antragsteller das Kaufangebot mit dem überlegenen Betriebskonzept unterbreitet habe. Das LG hat jedoch gemeint, die Verkaufsentscheidung der Antragsgegnerin zugunsten der Streithelfer sei ermessensfehlerhaft, weil sie das ihr zustehende Ermessen nicht hinreichend ausgeübt und eine Selbstbindung herbeigeführt habe, die von § 4 Abs. 5 S. 4 Flächenerwerbsverordnung als Ermächtigungsnorm und dem Sinn und Zweck der Erwerbsnorm (§ 3 Abs. 8 AusglLeistG) nicht gedeckt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Dagegen hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Die Antragsgegnerin und die Streithelfer haben sich der Berufung form- und fri...