Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 11 O 258/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. Februar 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin (Az. 11 O 258/18) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt klarstellend neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.451,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 13. September 2018 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Volkswagen Golf VI 1,6 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WVWZZZ1KZBM662416.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 13. September 2018 zu zahlen.
3. In Höhe von 792,66 EUR nebst anteiliger Zinsen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagte 90 % und der Kläger 10 % zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerseite macht Ansprüche aufgrund eines mit einem Dritten behauptet am 29. April 2014 zum Preis von 14.404,51 EUR abgeschlossenen KFZ-Kaufes über einen VW Golf (Erstzulassung 15. April 2011) geltend und stützt sich auf eine behauptet rechtswidrige Manipulation der Abgaswerte im VW-Konzern (sog. Dieselskandal).
Der Motor des Fahrzeuges ist werkseitig mit einer Steuerungssoftware ausgestattet, die zu einer Veränderung der Stickoxid-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beiträgt und bewirkt, dass auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Werte als im Normalbetrieb ausgestoßen werden.
Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. So werden mehr Stickoxide in den Motor zurückgeführt, wo sie erneut am weiteren Verbrennungsvorgang beteiligt werden, bevor sie das Emissionskontrollsystem erreichen. Im normalen Fährbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungs-Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxid-Ausstoß höher ist.
Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) den Rückruf von mit dieser Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeugen an und forderte die Beklagte dazu auf, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 mit 2,0-Liter-Hubraum zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen.
Nachfolgend gab das KBA das für den vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp entwickelte Software-Update frei. Nach dessen Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in einem adaptierten Modus 1 betrieben werden.
Das Landgericht Berlin hat die auf Leistung von Schadensersatz - Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie deren Verpflichtung zur Erstattung bzw. Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Zwar sei das Verhalten der Beklagten objektiv als sittenwidrig zu bewerten, weil die von der Beklagten entwickelte Motorsteuerungssoftware darauf abziele, den Rechtsverkehr zu täuschen. Dem Kläger sei durch das derartige Verhalten der Beklagten aber kein Schaden entstanden, so dass offenbleiben könne, ob die von der Beklagten eingesetzte Software eine verbotene Abschalteinrichtung darstelle. Soweit der Kläger seinen Schaden daran festmachen wolle, dass er sich überhaupt zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet habe, sei eine Schädigung nicht festzustellen. Einen Schaden in Form von Nachbesserungskosten mache der Kläger weder geltend noch sei ein solcher Schaden sonst zu verzeichnen; die notwendigen Nachbesserungen seien bereits vor Klageeinreichung kostenlos erbracht worden. Angesichts des bereits vor Klageeinreichung erfolgten kostenlosen Updates sei die Gefahr des Entzugs der Betriebserlaubnis gebannt gewesen. Die klägerseits betonte Beeinträchtigung der Willensfreiheit beim Kaufvertragsabschluss erweise sich nicht als Schaden. Der Kläger habe zudem nicht dargelegt, dass er Detailkenntnisse von der Motorsteuerung besessen hätte, auf die er beim Kauf des Wagens vertraut h...