Entscheidungsstichwort (Thema)
Abänderung eines vor dem 1.1.2008 ergangenen Urteils auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wegen einer bei Rechtskraft der Ehescheidung vorhandenen Erkrankung des begünstigten Ehegatten
Normenkette
ZPO § 323; BGB §§ 1578, 1578b; EGZPO § 36 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 25.06.2008; Aktenzeichen 166 F 1060/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.6.2008 verkündete Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg - FamG - 166 F 1060/08 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Ergänzend wird festgestellt:
Nach den durch das Urteil des KG vom 14.2.2001 in Bezug genommenen Feststellungen des damaligen erstinstanzlichen Urteils hat die 1962 geborene Beklagte in der Ehe keine Kinder versorgt, erfolglos zwei Prüfungen zur Versicherungskauffrau absolviert und schließlich - gefördert durch das Arbeitsamt - 1988 einen Abschluss zur Stenokontoristin erworben. Arbeit fand sie erst 1990 (20 Wochenstunden), verlor diese jedoch schon nach zwei Wochen. Seit 1993 besaß sie eine Gewerbeerlaubnis als Immobilienmaklerin, seit 1988 pflegte sie ihre Großmutter. Noch vor Rechtskraft der Ehescheidung im September 1997 begab sie sich in stationäre psychiatrische Behandlung (bis Dezember 97). Eine erneute teilstationäre Behandlung begann am 19.1.2000. Die Beklagte hatte weder Anspruch auf Arbeitslosengeld/hilfe noch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente, entsprechende Anträge sind abgelehnt worden. Das AG stützte den Unterhaltsanspruch auf § 1572 BGB, weil vom Zeitpunkt der Scheidung an von der Klägerin wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte. Sie leide seit 1994 an einer paranoiden Psychose. Eine Begrenzung nach § 1579 Nr. 3 BGB lehnte das AG ab. Nach seinen Feststellungen, die auf einem Sachverständigengutachten beruhen, habe die Erkrankung der Beklagten ihre Wurzeln in ihrer Kindheit (Verhältnis zu ihren Eltern), sei jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der Parteien 1996 zu Tage getreten. Das AG setzte jedoch nach § 1578 I 2 BGB a.F. den Unterhalt ab dem 14.11.2002 (fünf Jahre nach Rechtskraft der Ehescheidung) auf den angemessenen Lebensbedarf herab, legte der Bedarfsberechnung nicht mehr die ehelichen Lebensverhältnisse zugrunde. Den Lebensbedarf hat es nach den aufgrund der Ausbildung der Klägerin nur in geringem Maß möglichen Einkünften bemessen und deshalb nur den notwendigen Bedarf, damals 1.300 DM zzgl. Krankenversicherungsbetrag von 269 DM und Pflegevorsorgeunterhalt von 34 DM festgesetzt. Das KG folgte dieser Entscheidung.
Nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom 16.7.2004 ist die Beklagte zu 70 % schwerbehindert. Vom 25.2. bis zum 4.4.2008 befand sie sich aufgrund einer Maßnahme des Berufsförderungswerks Berlin in einer sechswöchigen Arbeitserprobung. Als Ergebnis der Erprobung teilte ihr die Bundesagentur für Arbeit unter dem 22.5.2008 mit, dass sie für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe und deshalb zum 7.4.2008 aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass er nach 21 Jahren, davon elf während der Ehe, genug Unterhalt gezahlt habe. Seine weitere Inanspruchnahme sei unbillig, denn - so
behauptet er - die Bedürftigkeit der Beklagten sei nicht ehebedingt, sondern beruhe auf ihrer bereits vor der Ehe vorhandenen Erkrankung. Er habe wegen seiner immensen und vorrangigen Unterhaltsverpflichtung keine neue Beziehung gründen können, weil die Beklagte fast die Hälfte seines Einkommens, das er mit 2.200 EUR netto monatlich behauptet, erhalte. Er hat beantragt, das Urteil des KG dahin abzuändern, dass er keinen Unterhalt mehr schuldet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, sie habe trotz intensivster Bemühungen keinen Erwerb finden können, der ihren Unterhalt sicher stellen könnte. Krankheitsbedingt sei sie weiterhin nicht erwerbsfähig. Sie hat behauptet, der Kläger habe mindestens ein Nettoeinkommen von 4.000 EUR. Ihre Erkrankung sei wegen schwerer Belastungen während der Ehe zum Ausbruch gekommen. Sie sei ferner ehebedingt benachteiligt worden, weil der Kläger innerhalb der Ehe keine Erwerbstätigkeit gewünscht habe. Ihre berufliche Entfaltung und Fortbildung sei dadurch behindert worden. Ihr Vertrauen auf eine dauerhafte Ehe sei durch die außereheliche Beziehung des Klägers missbraucht worden.
Das FamG hat der Abänderungsklage stattgegeben und den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab dem 1.12.2008 auf "0" reduziert. D...