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Grundsätzlich ist der Mieter nicht verpflichtet, die gemieteten Räume zu nutzen. Dies gilt auch für Geschäftsräume, es sei denn, dass sich eine Verpflichtung aus den Umständen des Einzelfalles ergibt (wobei selbst die Vereinbarung einer am Umsatz orientierten Miete allein nicht als ausreichend angesehen wird, vgl. Bub/Treier/Kraemer, III A Rn. 937; vgl. ferner OLG Köln, Urteil v. 28.7.2000, 19 U 184/99, OLG Report Köln 2000, 478 zur konkludenten Vereinbarung einer Betriebspflicht bei der Vermietung eines Ladenlokals) oder etwas anderes vereinbart worden ist, was auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgen kann (BGH, DWW 1993, 69; OLG Rostock, Urteil v. 8.3.2004, 3 U 118/03, OLG Report Rostock 2004, 268). Vereinbarungen über eine Betriebspflicht sind nicht ungewöhnlich; sie kann außer der Verpflichtung des Mieters, die angemieteten Räume während bestimmter Öffnungs- oder Kernzeiten zu dem im Mietvertrag festgelegten Gebrauchszweck zu nutzen, bei entsprechender Vereinbarung auch beinhalten, sämtliche bei Anmietung vorhandenen Aus- und Zugänge offen zu halten (KG ZMR 2015, 707; a. A. OLG Dresden, NZM 2008, 131).
Aufgrund einer vereinbarten Betriebspflicht muss der Mieter den Betrieb selbst dann fortführen, wenn er aus gesundheitlichen Gründen das Geschäft nicht weiterführen kann und sich eines Dritten bedienen muss (LG Osnabrück, ZMR 2019, 28).
Eine Betriebspflicht kann grds. auch durch Formularvertrag vereinbart werden (BGH XII ZR 121/04, ZMR 2007, 187; KG MDR 2004, 84; OLG Naumburg, NZM 2008, 772; OLG Karlsruhe, GE 2007, 218; OLG Celle, NJW-RR 2008, 168). Das gilt selbst dann, wenn der Mieter aus gesundheitlichen Gründen den Geschäftsbetrieb nicht aufrechterhalten kann (OLG Düsseldorf, GuT 2007, 206) oder das Betreiben des Geschäftes unrentabel ist, da die Rentabilität eines in gemieteten Räumen betriebenen Geschäftes bzw. Unternehmens grds. in die wirtschaftliche Risikosphäre des Mieters fällt (BGH, ZMR 1995, 295) und die formularmäßige Vereinbarung einer Betriebspflicht insoweit im Regelfall nicht als unangemessene Benachteiligung des Mieters zu werten ist.
Formulierungen zur Betriebspflicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen wie z. B. "Bei Ladenlokalen und Gaststätten obliegt dem Mieter die Betreibungspflicht während der gesetzlichen Öffnungszeiten" halten selbst dann einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 stand, wenn im Mietvertrag zugleich ein Konkurrenz- und Sortimentsschutz ausgeschlossen ist (OLG Hamburg, Urteil v. 3.4.2002, 4 U 236/01, OLG Report Hamburg 2003, 201, 202 = ZMR 2003, 254 m. w. N. zur h. M.; a. A.: Sternel, II Rn. 274; OLG Schleswig, Beschluss v. 2.8.1999, 4 W 24/99, OLG Report Schleswig 1999, 385; offen gelassen: KG, Urteil v. 17.7.2003, 22 U 149/03, KGReport Berlin 2003, 315). Ein Verstoß gegen die Betriebspflicht liegt dann vor, wenn der Gesamtcharakter des vertraglich vereinbarten Mietzweckes nicht mehr gewährleistet ist. So liegt ein Verstoß z. B. dann nicht vor, wenn nur ein abtrennbarer Teil der zum Betrieb einer "Bayerischen Bierstube" angemieteten Räume nicht mehr für den Gaststättenbetrieb genutzt wird (KG, Urteil v. 21.3.2002, 8 U 9082/00, KGReport Berlin 2002, 317/319). Liegt ein Verstoß gegen die Betriebspflicht vor, kann der Vermieter auf Erfüllung der Verpflichtung klagen und ggf. Schadensersatz geltend machen, wenn z. B. ein umsatzabhängiger Mietzins vereinbart worden ist. Auch im Wege einer einstweiligen Verfügung soll – jedenfalls für in einem Einkaufscenter gelegene Mieträume – die Betriebspflicht durchgesetzt werden können (KG, Urteil v. 12.9.2011, 8 U 141/11, GE 2011, 1484). Die Betriebspflicht endet mit der rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses, sei es durch Zeitablauf oder Kündigung. Eine Fortdauer der Betriebspflicht bis zur Räumung ist hingegen nur dann anzunehmen, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.8.2000, 24 W 49/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 157).
Zur Frage der Durchsetzung des Anspruchs durch einstweilige Verfügung und zur Vollstreckung s. weiter unter II Rn. 423.
Eine Nutzungspflicht bei Wohnräumen lässt sich zivilrechtlich auch nicht bei Wohnungsknappheit konstruieren. Davon unabhängig verbleibt es allerdings bei Obhutspflichten, die gesteigert sein können, wenn der Mieter die gemieteten Räume nicht bewohnt.