Rz. 121
Beim Besichtigungsrecht des Vermieters ist zu unterscheiden zwischen dem Recht, die vermieteten Räume mit und ohne besonderen Grund, mit oder ohne vertragliche Vereinbarung zu betreten.
Nach allgemeiner Ansicht darf der Vermieter in Beachtung bestimmter Formen auch ohne vertragliche Vereinbarung die Mieträume dann betreten, wenn ein besonderer Grund vorliegt. Als besondere Gründe sind hier anzuführen:
- Abwehr drohender Gefahren (jederzeit),
- vor Verkauf oder Neuvermietung bei bevorstehender Beendigung des Mietverhältnisses,
- zur Begutachtung vor einer Mieterhöhung nach § 558,
- zur Mängelbesichtigung nach Mängelanzeige durch den Mieter.
Bei entsprechender mietvertraglicher Vereinbarung, die zulässig ist (BGH, Urteil v. 26.4.2023, VIII ZR 420/21, WuM 2023, 403) besteht auch ein allgemeines Besichtigungsrecht des Vermieters ohne besonderen Grund, z. B. um allgemein den vertragsgemäßen Zustand der Räume zu überprüfen. Eine entsprechende Formularklausel ist an § 307 zu messen.
Streitig ist die Frage, ob auch ohne vertragliche Vereinbarung ohne besonderen Grund ein Recht des Vermieters besteht, zu gewissen Zeiten die Räume zu besichtigen (vgl. in diesem Zusammenhang Emmerich/Sonnenschein, §§ 535, 536 Rn. 37; Sternel, Mietrecht, II Rn. 292). Ein solches grundsätzliches Besichtigungsrecht auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ergibt sich als Nebenpflicht aus dem Dauerschuldverhältnis, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt (BGH, Urteil v. 26.4.2023, VIII ZR 420/21, a. a. O.). Solche Gründe können die beabsichtige Veräußerung der Mietsache (BGH, Urteil v. 26.4.2023, VIII ZR 420/2, a. a. O.; AG Steinfurt, Urteil v. 10.4.2014, 21 C 987/13, GE 2014, 1145), die Wartung der Gastherme durch den Schornsteinfeger und die Nachmontage von Rauchmeldern (AG Düsseldorf, Urteil v. 26.7.2022, 236 C 127/22, ZMR 2022, 801) oder die Behebung von Fehlern des automatischen Überwachungssystems der Photovoltaik-Anlage (AG Coesfeld, Urteil v. 15.10.2013, 4 C 210/13, ZMR 2015, 452) sein. Dem Vermieter muss die Möglichkeit zustehen, die Räume, für die ihn seinerseits Obhutspflichten treffen, überprüfen zu können (vgl. dazu LG Berlin, Beschluss v. 18.2.2015, 65 S 527/14, GE 2015, 733). Der Vermieter kann auch Dritte mit der Besichtigung beauftragen (LG Berlin, Urteil v. 2.6.2017, 63 S 316/16, GE 2017, 1410).
Ein sachlicher Grund für die Verpflichtung des Mieters, dem Vermieter den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, kann auch dann angenommen werden, wenn zur Vorbereitung einer Vergleichsmietenerhöhung ein Sachverständiger die Mietsache besichtigen will (BGH, Beschluss v. 28.11.2023, VIII ZR 77/23, GE 2024, 188).
Die Frage dürfte allerdings keine weitreichende praktische Bedeutung haben, da ein Besichtigungsverlangen ohne vertragliche Grundlage und ohne besonderen Grund ausgesprochen selten sein dürfte.
Die Ausübung des Besichtigungsrechts ist wegen des Hausrechts des Mieters in Beachtung seiner Intimsphäre nur unter besonderen Formen möglich. So setzt die Besichtigung eine rechtzeitige Ankündigung voraus; die Rechtzeitigkeit ist am Grund der Besichtigung zu messen. Auch hier verbietet sich eine generalisierende Betrachtungsweise. Wegen einer drohenden Gefahr darf jederzeit besichtigt werden. Die Ankündigungszeit ist umso länger, je unwichtiger der Grund ist. Grundsätzlich darf nicht zur Unzeit besichtigt werden, wobei als übliche Tageszeiten die Zeit von 9.00–12.00 Uhr und 15.00–19.00 Uhr angenommen werden können. Bei besonderem Grund kann nur so häufig besichtigt werden, wie es zur Klärung notwendig ist. Ein allgemeines Betretungsrecht ohne besonderen Grund ist nur in großen Zeitabständen (einmal jährlich) möglich.
In Beachtung des § 307 kann folgende Formularklausel vorgeschlagen werden, die auch den Anforderungen des BVerfG in seiner Entscheidung v. 16.1.2004, 1 BvR 2285/03, GE 2004, 610 f. genügen dürfte.
Muster
Mietvertrag: Besichtigung der Mieträume
Dem Vermieter und/oder seinen Beauftragten, die sich entsprechend auszuweisen haben, steht bei Bedarf die Besichtigung der Mieträume in der Zeit von 9.00–12.00 und 15.00–19.00 Uhr zu, sofern er dem Mieter die Besichtigung i. d. R. mindestens 1 Woche vorher angekündigt hat. Der Grund der Besichtigung soll mit der Ankündigung mitgeteilt werden. Die Besichtigung zur Prüfung des Zustands der Mieträume darf … mal pro Jahr erfolgen, aus wichtigen Gründen ist sie im erforderlichen Umfang zulässig. In Fällen dringender Gefahr ist der Zutritt jederzeit gestattet.
Der Mieter gestattet im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses oder bei beabsichtigtem Verkauf des Grundstücks oder der Wohnung die Besichtigung der Mieträume zusammen mit dem Miet- bzw. Kaufinteressenten zu den oben angeführten Zeiten in angemessenem Maß.
Der Mieter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Mieträume auch während seiner Abwesenheit im vereinbarten Umfang und in dringenden Fällen betreten werden können. Dazu hat er sicherzustellen, dass er (auch telefonisch) erreichbar ist, um den Zutritt selbst oder üb...