1 Allgemeines

 

Rz. 1

Wie zum Gewährleistungssystem des Kaufrechts sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 280 ff., 311a überwiegend ausgeschlossen, weil die Vorschriften des besonderen Schuldrechts vorgehen. Anders als im Kaufrecht, in dem der Käufer nach §§ 437, 441 den Minderungsanspruch geltend machen muss ("kann der Käufer Herabsetzung des Kaufpreises [Minderung] verlangen"), tritt die mietrechtliche Minderung kraft Gesetzes ein ("ist der Mieter … von der Entrichtung der Miete befreit …"). Es handelt sich demgemäß nicht um einen Mietminderungsanspruch (§ 194 Abs. 1), sondern stellt eine Einwendung gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete dar, die folglich nicht verjähren kann. Allerdings kann ein etwaiger Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bei im Voraus bezahlter Miete verjähren. Daraus folgt ferner, dass sich der Mieter gegenüber der Zahlungsklage des Vermieters auch noch später auf sein Minderungsrecht berufen kann, sofern allerdings keiner der Ausschlusstatbestände von §§ 536b und c vorliegt und keine Verwirkung eingetreten ist.

 
Hinweis

Abweichende Vereinbarung unwirksam

Bei der Wohnraummiete können die Rechte aus § 536 nicht abbedungen werden (§ 536 Abs. 4).

Die bisherige Problematik einer vereinbarten Vorfälligkeitsklausel (Zahlungen monatlich im Voraus) im Zusammenhang mit Aufrechnungsklauseln entfällt weitestgehend. Denn nach § 556b Abs. 1 ist die Wohnraummiete nunmehr zu Beginn des Monats zu entrichten, sodass es einer Vorfälligkeitsklausel nicht mehr bedarf (vgl. zu der Prob­lematik die entsprechende Kommentierung zu § 535 und § 556b). Für am 1.9.2001 bestehende Mietverhältnisse gilt allerdings § 551 a. F. weiter – Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB.

2 Geltung

 

Rz. 2

§ 536 gilt nach dem Gesetzeswortlaut nicht für den Zeitraum vor Überlassung der Mietsache, sondern dafür gelten die des allgemeinen Schuldrechts. Nach der Überlassung der Mietsache können diese dann zur Anwendung kommen, wenn dem Vermieter die Beseitigung des Sachmangels nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 26.9.1990, VIII ZR 205/89, NJW-RR 1991, 204). Soweit die Unmöglichkeit der Leistung nicht auf einem Sachmangel beruht (z. B. Untergang der Mietsache), gelten sie ohnehin. Insofern kommt es darauf an, ob nach § 535 der Vermieter (noch) zur Instandsetzung verpflichtet ist.

§ 275 gilt ebenfalls, wenn die Wiederherstellung der Mietsache dem Vermieter nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, a. a. O.).

3 Sachmängelhaftung – § 536 Abs. 1

 

Rz. 3

§ 536 Abs. 1 entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem früheren § 537 Abs. 1, ist aber teilweise sprachlich modifiziert (die amtliche Begründung spricht von "Modernisierung"). Außerdem ist die Regelung für die völlige Aufhebung der Tauglichkeit textlich stärker von der Regelung für die Tauglichkeitsminderung abgesetzt worden, um die unterschiedlichen Rechtsfolgen zu verdeutlichen. Schließlich ist der Verweis auf die kaufrechtlichen Vorschriften zur Berechnung der Minderung entfallen. Dieses Verfahren hat sich als nicht praktikabel erwiesen. Die Praxis gibt indessen den Minderungsbetrag ohne Zugrundelegung der komplizierten Berechnungsformeln regelmäßig in geschätzten Prozentsätzen an. Dem trägt die offenere Formulierung in § 536 Abs. 1 Satz 2 Rechnung – so die amtliche Begründung zur Mietrechtsreform 2001.

 

Rz. 4

Auch eine Wohnflächendifferenz von mehr als 10 % zulasten des Mieters stellt einen Mietmangel dar (BGH, Beschluss v. 22.6.2021, VIII ZR 26/20, GE 2021, 1191; BGH, Urteil v. 25.11.2020, XII ZR 40/19, GE 2021, 175; BGH, Urteil v. 18.11.2015, VIII ZR 266/14, WuM 2016, 34), der zur Minderung führt (vgl. dazu die Kommentierung zu § 535). Die Minderung führt zu einer endgültigen Herabsetzung der Miete, und zwar bei einer Abweichung von mehr als 10 % in voller Höhe, also nicht nur hinsichtlich des Betrages ab über 10 %. Auch wenn eine Wohnung möbliert vermietet ist, ist die Bruttomiete bei einer Wohnflächenabweichung um mehr als 10 % gegenüber der vereinbarten Wohnfläche im Verhältnis der Wohnflächenabweichung gemindert (BGH, Urteil v. 2.3.2011,VIII ZR 209/10, WuM 2011, 213). Das gilt auch bei Verkleinerung eines mit überlassenen Fahrradkellers im Rahmen einer geduldeten Modernisierung (BGH, Beschluss v. 12.10.2021 – VIII ZR 51/20, GE 2022, 196) oder wenn die Flächendifferenz die Folge von nach Abschluss des Mietvertrags erfolgten Umbauarbeiten ist, durch die diese Fläche dem angrenzenden Mietobjekt zugeschlagen worden ist (BGH, Urteil v. 25.11.2020, XII ZR 40/19, GE 2021, 175).

4 Mangelbegriff

4.1 Allgemeines

 

Rz. 5

§ 536 setzt einen Sachmangel voraus. Üblicherweise versteht man unter einem Fehler (= Sachmangel) die nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich geschuldeten (vgl. BGH, Urteil v. 13. 4.2016, VIII ZR 198/15, NZM 2016, 673; BGH, Urteil v. 6.10.2004, VIII ZR 355/03, GE 2004, 1586– Trittschalldämmung).

 
Hinweis

Bestehendes Gebäude

Mangels abweichender Abreden der Parteien ist zumindest derjenige Zustand der Mietsache vertragsgemäß, der bei Übergabe besteht (a. A. AG Wedding, Urteil v. 3.3. 2023, 16 C 301...

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