Harald Kinne, Klaus Schach
Rz. 6
§ 536b erfasst nicht den Fall, dass der Mieter nachträglich einen Mangel erkennt, das Mietverhältnis ohne jeden Widerspruch fortsetzt und die Miete vorbehaltlos im vollen Umfang zahlt. Nach allgemeiner Meinung vor der Mietrechtsreform wurde bisher § 539 a. F. entsprechend angewandt, so dass die Gewährleistungsrechte aus §§ 537, 538 a. F. entfielen (vgl. für die frühere Rechtslage die Vorauflage). Der BGH hat die Analogie des § 539 a. F. auf § 536b nicht übertragen.
Mit Urteil des BGH v. 16.7.2003, VIII ZR 274/02, GE 2003, 1145 = NJW 2003, 2601, ist entschieden, dass für die Zeit nach der Mietrechtsreform (1.9.2001) die analoge Anwendung des § 536b nicht in Betracht kommt (es für Mieten davor allerdings bei der analogen Anwendung des § 539 a. F. verbleibt). Allerdings bleibt jedoch jeweils zu prüfen, ob der Mieter das Minderungsrecht (unter den strengeren Voraussetzungen) der Verwirkung (§ 242) oder des stillschweigenden Verzichts verloren hat. Soweit das Minderungsrecht des Wohnraummieters nach dem 1.9.2001 nicht entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 539 a. F. erloschen ist, bleibt jedoch zu prüfen, ob der Mieter dieses Recht unter den strengeren Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242) oder des stillschweigenden Verzichts verloren hat (BGH, Urteil v.16.7.2003, VIII ZR 274/02, a.a.O.; a.A. Kandelhard, in ZAP-Praxiskommentar Mietrecht, 3.Aufl.2007, § 536b Rn. 15). Dazu – und für den Verlust der Schadensersatzansprüche wegen der Mängel und des Kündigungsrechts wegen vollständiger oder teilweiser Gebrauchsentziehung durch den nachträglich aufgetretenen Mangel - ist aber sowohl die Erfüllung des Zeitmoments als auch des Umstandsmoments erforderlich. Das Zeitmoment dürfte frühestens ein Jahr nach Auftreten des nachträglichen Mangels gegeben sein (ähnlich LG Berlin, Urteil v. 8.11.2002, 65 S 275/02, GE 2003, 254: 14 Monate; LG Berlin, Urteil v. 9.11.2007, 63 S 55/07, GE 2008, 268; anders Schach, GE 2003, 1118; Paschke, GE 2003, 1134 ff.: 6-9 Monate ausreichend). Für das Umstandsmoment ist erforderlich, dass der Vermieter sich darauf eingerichtet hat, dass der Mieter nicht nachträglich mindert, keinen Schadensersatz geltend macht oder nicht mehr kündigen will. Insoweit kann sich aber der Vermieter regelmäßig darauf berufen, dass er die ersparten Mittel zur laufenden Bewirtschaftung des Mietobjekts verbraucht hat.
Der Mieter kann bei vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Wohnraummietverträgen die Miete grundsätzlich auch wegen eines solchen (nachträglichen) Mangels (wieder) mindern, hinsichtlich dessen er nach altem Recht das Minderungsrecht für die frühere Miete verloren hatte (so jedenfalls BGH, NJW 2003, 2601, 2603 vgl. unter III. 3.). Das wegen vorbehaltsloser Annahme der Wohnung trotz Kenntnis des – anfänglichen – Mangels – infolge vorbehaltsloser und ungekürzter Zahlung der Wohnraummiete in Kenntnis des Mangels über etwa sechs Monate erloschene Minderungsrecht soll also ab 1.9.2001 wieder aufleben – eine nur schwer verständliche Konsequenz des Fehlens einer Übergangsvorschrift hinsichtlich der vor dem 1.9.2001 erloschenen Minderungsrechte.
Der für die Geschäftsraummiete zuständige XII. Senat des BGH hat sich dieser Rechtsprechung aber angeschlossen (BGH, Beschluss v. 16.2.2005, XII ZR 24/02, GE 2005, 662). Der BGH hat eine Analogie des § 536b auf den Ausschluss eines Rechts zur fristlosen Kündigung ebenfalls abgelehnt (Urteil v. 18.10.2006, XII ZR 33/04, WuM 2007, 72), aber ausdrücklich auf das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung nach § 242 hingewiesen.