Harald Kinne, Klaus Schach
Rz. 1
Die Regelung lehnt sich an § 567 a. F. an und bestimmt ein außerordentlich befristetes Kündigungsrecht. Die sprachliche Formulierung entspricht der neuen einheitlichen Terminologie für die verschiedenen Kündigungsarten. Klargestellt ist jetzt auch, dass die Kündigung erst nach Ablauf von dreißig Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der (vertraglich vereinbarten) Überlassung der Mietsache, möglich ist.
Die Vorschrift gilt für alle miet- und pachtähnlichen Verträge (§ 581 Abs. 2, BGH, Urteil v. 17.3.1994, III ZR 10/93, NJW 1994, 3156). Es handelt sich um eine zwingende Vorschrift, weil Erbmiete oder ähnliche Rechtsverhältnisse verhindert werden sollen.
Der Vertrag ist auch dann über mehr als dreißig Jahre abgeschlossen, wenn der Mietvertrag aller Voraussicht nach erst nach mehr als dreißig Jahren endet, wie z. B. bei einem Mietvertrag für die Dauer des Betriebes (BGH, NJW-RR 1992, 291) oder die Nichtausübung eines Vorkaufsrechts (OLG Hamburg, ZMR 1998, 28). Der Mietvertrag mit einer kürzeren Laufzeit fällt dann unter § 544, wenn er über dreißig Jahre hinaus durch Ausübung eines Optionsrechts verlängert werden kann (OLG Düsseldorf, ZMR 2002, 218; Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn. 12).
Mietvertrag auf unbestimmte Zeit
Auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverträge fallen grundsätzlich nicht unter die Vorschrift, selbst wenn sie länger als dreißig Jahre gedauert haben; etwas anderes gilt nur dann, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung für eine Partei vollständig ausgeschlossen ist (LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 6.6.2019, 7 S 2165/19, WuM 2019, 623).
Für Mietverträge auf unbestimmte Zeit ohne Kündigungsausschluss gilt ohnehin die Kündigungsmöglichkeit des § 542 Abs. 1. Ein Mietvertrag für die Lebenszeit einer der Vertragsparteien fällt ebenfalls nicht unter diese Vorschrift. Der Abschluss eines Mietvertrages über die Dauer von 30 Jahren hinaus macht diesen nicht unwirksam, auch nicht teilweise für den 30 Jahre übersteigenden Zeitraum; er ist nur kündbar (Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn. 8).
Wohnraummietvertrag
Für den Wohnraumietvertrag ist zu berücksichtigen, dass bei Vereinbarung der Kündbarkeit eines Lebenszeitvertrages nach 30 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen dieser Vertrag als Zeitmietvertrag gem. § 575 BGB anzusehen ist; handelt es sich bei den vereinbarten Kündigungsgründen nicht um solche des § 575 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 wird der Vertrag zu einem auf unbestimmte Zeit, der bei Vorliegen der Kündigungsgründe des § 573 ordentlich gekündigt werden kann (Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn.7).
Nicht unter § 544 fallen langfristig bindende Vorverträge oder bindende Vertragsangebote, ebenso wenig Kettenverträge, die zwar insgesamt über 30 Jahre gedauert haben, deren jeweilige Verlängerung aber im Belieben der Vertragsparteien gestanden hat (Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn. 13).
Rz. 2
Die Kündigung ist gem. § 544 erst nach Ablauf der 30 Jahre nach Überlassung zulässig. Maßgebend ist die vertraglich vereinbarte Überlassung, nicht die tatsächliche Überlassung (z. B. vor Vertragsbeginn zur Ausführung der Anfangsrenovierung).
Die Neubegründung eines Mietverhältnisses zwischen dem Erwerber des Mietobjekts und dem Mieter kraft Gesetzes gemäß § 566 ("Kauf bricht nicht Miete") beeinflusst den Lauf der Frist nach § 544 S. 1 nicht, so dass nach Ablauf von 30 Jahren seit der Überlassung der Mietsache ein Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann (OLG Karlsruhe, Urteil v. 21.12.2007, 1 U 119/07, ZMR 2008, 533).
Eine Kündigung, die bereits vor dem Ablauf der 30 Jahre erklärt wird, ist auch dann unzulässig, wenn sie erst nach Ablauf der 30 Jahre wirken soll (OLG Celle, NJW-RR 1994, 1473).
Die Kündigung kann nur unter Einhaltung der gesetzlichen Frist erfolgen, also bei Wohnraummietverhältnissen nur unter Einhaltung der Frist des § 575a Abs. 3, somit spätestens am dritten Werktag zum Ablauf des übernächsten Monats.
Die Kündigung ist unabhängig davon zulässig, ob dem Vermieter ein Kündigungsrecht gem. § 573 zusteht.
Mietvertrag auf Lebenszeit
Bei einem Mietvertrag auf Lebenszeit mit mehreren Mietern ist für die Vertragsdauer die Lebenszeit mit dem Längstlebenden maßgebend (Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn. 19). Ausgeschlossen ist bei Lebenszeitmietverträgen nur die ordentliche Kündigung; zulässig bleiben die außerordentlichen fristlosen Kündigungen (Schmidt-Futterer/Lammel, § 544 Rn.20).