Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 12
Nach § 127 gelten die in §§ 126, 126a und 126b enthaltenen Regelungen über die gesetzliche Schriftform im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte schriftliche Form.
Wille der Parteien entscheidend
Diese die Wirksamkeit des Vertrages berührende gesetzliche Auslegungsregel gilt aber nur dann, wenn die Einhaltung der Form nach dem Willen der Parteien konstitutive Wirkung haben sollte, wenn sie also bewusst die Wirksamkeit des Vereinbarten von dessen formgerechter Niederlegung abhängig gemacht haben (Schmidt-Futterer/Lammel, § 550 Rn. 71).
Die Wirksamkeit des Vertrages wird dagegen von der mangelnden Einhaltung der gewillkürten Form dann nicht berührt, wenn diese nur Beweiszwecken dienen sollte, also rein deklaratorischen Charakter hat. Davon ist auszugehen, wenn die Vereinbarung über eine besondere Form des Vertrages erst nach dessen Abschluss getroffen worden ist oder wenn der Vertrag trotz des Formmangels bereits in Vollzug gesetzt worden ist, etwa durch Überlassung des Mietobjekts (BGH, Urteil v. 8.10.2008, XII ZR 66/06, NZM 2008, 931).
Rz. 13
Zur Wahrung der Form genügt hier allerdings für einen Vertrag der Briefwechsel. Dabei müssen die Parteien nicht beide auf einer Urkunde unterschreiben, auch müssen die Voraussetzungen des § 126 Abs. 2 Satz 2 nicht erfüllt sein, vielmehr genügt es, dass sich die Willensübereinstimmung erst aus der Zusammenfassung mehrerer Urkunden ergibt (vgl. auch BGH, Urteil v. 18.10.2000, XII ZR 179/98, NJW 2001, 221 [223]). Demnach reicht hier ein Brief der einen Partei und "telekommunative Übermittlung" der Erklärung der anderen Partei aus.
Rz. 14
In den meisten Formularmietverträgen finden sich sog. Schriftformklauseln, wonach Ergänzungen oder Abänderungen nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Diese Klauseln sollen ohne Wirkung sein, weil die Parteien den vereinbarten Formzwang wegen des Vorrangs von Individualabreden (§ 305b, vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, § 305b) jederzeit formlos wieder aufheben können (vgl. nur BGH, Urteil v. 12.12.2001, XII ZR 351/99, NJOZ 2002, 833, 834). Die Parteien müssen danach die Schriftformklausel nicht ausdrücklich aufheben. Einfache Schriftformklauseln sollen stillschweigend abdingbar sein, wobei dies nach Auffassung des BGH auch dann gelten soll, wenn die Parteien bei ihrer mündlichen Abrede gar nicht an die Schriftform gedacht haben; es soll genügen, dass die Parteien die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung übereinstimmend gewollt haben (BGH, a. a. O.; ferner Urteil v. 8.10.2008, XII ZR 66/06, GE 2008, 1623; a. A. unter Hinweis auf den fehlenden Geschäftswillen BFH, Urteil v. 24.7.1996, I R 115/95, NJW 1997, 1327, 1328); ein Hinweis auf den Änderungswillen soll daraus folgen, dass die Parteien sich in der Folgezeit entsprechend der Absprache verhalten haben (so schon BGH, Urteil v. 2.6.1976, VIII ZR 97/74, MDR 1976, 925).
Enthält ein Mietvertrag die Klausel, dass Vertragsänderungen auch bezüglich des Formerfordernisses der Schriftform bedürfen (sog. qualifizierte Schriftformklausel), ist eine mündliche Vereinbarung unwirksam, wenn nicht erwiesen ist, dass die Parteien sich über eine Änderung der qualifizierten Schriftformklausel geeinigt haben (BGH, Urteil v. 17.4.1991, XII ZR 15/90, NJW-RR 1991, 90; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.10.2009, I-24 U 51/09, GE 2010, 907); hierbei sind strenge Anforderungen an die Annahme einer derartigen Abänderungsabrede zu stellen (vgl. KG, Urteil v. 20.11.2000, 20 U 421/99, GE 2001, 278). Handelt es sich um einen Individualvertrag, bestehen von vorneherein keine Bedenken gegen die Vereinbarung einer qualifizierten Schriftformklausel. Zur Wirksamkeit einer sog. Schriftformheilungsklausel s. Rn. 7.