Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
1 Abwendungsbefugnis
Rz. 1
Die Ausübung des Wegnahmerechts des Mieters, das auch Veränderungen in der baulichen Substanz erfasst (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 4.8.2011, I- 24 U 48/11, GE 2011, 129), kann der Vermieter durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden, allerdings nur bei der Raummiete, worunter sowohl die Wohnraummiete als auch die gewerbliche Raummiete fallen. Sind Grundstücksflächen Bestandteil eines Raummietvertrags, beschränkt sich das Wegnahmerecht auf Einrichtungen in den angemieteten Räumen (OLG Köln ZMR 1994, 509; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter § 552 Rn. 1, 2; a.A. Bieber in MüKo § 552 Rn. 3). Daher kann der Vermieter die Wegnahme eines vom Mieter selbst gepflanzten Baumes im Garten des angemieteten Hauses nicht durch Zahlung einer Entschädigung abwenden (OLG Köln, Urteil v. 8.7.1994, 11 U 242/93, ZMR 1994, 509).
Voraussetzung für die Abwendungsbefugnis ist, dass der Vermieter den Besitz der vermieteten Räume zurückerlangt hat und die Einrichtung noch mit der Mietsache verbunden ist. Die Abwendungsbefugnis erlischt, sobald der Mieter die Einrichtung von der Mietsache abgetrennt hat, und zwar auch dann, wenn der Mieter sie noch in den Mieträumen aufbewahrt (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 7; § 552 Rn. 2; Staudinger/Emmerich, § 552 Rn. 3; Franke, Wohnungsbaurecht, Mietrecht, § 552 Anm. 2). Der Mieter ist nicht verpflichtet, dem Vermieter vorher mitzuteilen, dass er Einrichtungen abtrennen oder wegnehmen will (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 5); ebenso wenig braucht er die Einrichtungen vor der Trennung dem Vermieter zur Übernahme gegen Entschädigung anzubieten (OLG Köln, Urteil v. 8.7.1994, 11 U 242/93, a.a.O.; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 6; Staudinger/Emmerich, § 552 Rn. 5; Franke, Wohnungsbaurecht, Mietrecht, § 552 Anm. 5).
Rz. 2
Das Abwendungsrecht muss ausgeübt werden, und zwar durch eine entsprechende Erklärung des Vermieters (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter § 552 Rn. 9). Weitere Voraussetzung ist die Zahlung einer angemessenen Entschädigung; ein den Annahmeverzug begründendes tatsächliches Angebot der Zahlung reicht aus (KG, MDR 2001, 984; Staudinger/Emmerich, § 552 Rn. 4; Franke, Wohnungsbaurecht, Mietrecht, § 552 Anm. 3; a.A. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 10; Scheuer in Bub/Treier, V. B. Rn. 265; Sternel, IV Rn. 622; Oliver, ZMR 1979, 323: wörtliches Angebot reicht aus). Die Ausübung eines Vermieterpfandrechts an einer wegnehmbaren Einrichtung des Mieters beinhaltet nicht die Erklärung, dass der Vermieter die Wegnahme gegen Entschädigungszahlung abwenden will (KG, Beschluss v. 13.7.2015, 8 W 45/15, GE 2015, 1594 = ZMR 2016, 862).
Die Abwendungsbefugnis geht an den Erwerber der vermieteten Räume über.
Rz. 3
Die Entschädigung richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitwert der Einrichtung, der von den seinerzeitigen Anschaffungs- und Errichtungskosten zu berechnen ist (OLG Düsseldorf, OLGZ 1990, 224; LG Hamburg, WuM 1997, 141; LG Köln, Urteil v. 24.3.1998, 12 S 288/97, WuM 1998, 345; a. A. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 15: Wert, die die Einrichtung für den Vermieter hat); davon sind jedoch die von dem Mieter ersparten Kosten, insbesondere die Kosten der Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 258) sowie die Kosten des Ausbaus und des dabei typischerweise entstehenden Wertverlusts wieder abzuziehen (LG Hamburg, WuM 1977, 141 [142]; LG Köln, Urteil v. 24.3.1998, 12 S 288/97, WuM 1998, 345; zweifelnd Staudinger/Emmerich, § 552 Rn. 7 m.w.N.; ablehnend Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, § 552 Rn. 15).
Zweckmäßig ist eine Einigung der Mietvertragsparteien über die Höhe der Entschädigung; falls eine derartige Einigung nicht zustande kommt, kann der Mieter die Höhe der Entschädigung bestimmen. Diese Bestimmung erfolgt durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vermieter. Dabei muss der Mieter aber die Entschädigung nach billigem Ermessen bestimmen (§ 315 Abs. 1). Die offenbar unbillige Bestimmung der Entschädigung durch den Mieter ist unverbindlich. Gegenüber der Zahlungsklage des bestimmungsberechtigten Mieters kann der Vermieter einredeweise geltend machen, die Bestimmung sei unbillig; sodann wird die Höhe der Entschädigung durch das zuständige Gericht (bei Wohnraummietverhältnissen: das AG) geschätzt (§ 287 ZPO).
Rz. 4
Der Anspruch des Mieters auf eine angemessene Entschädigung entsteht, sobald der Vermieter erklärt, dass er die Wegnahme abwenden will (BGH, Urteil v. 5.10.2005, XII ZR 43/02, GE 2006, 380; BGH, Urteil v. 14.10.1987, VIII ZR 246/86, NJW 1988, 705). Hat der Vermieter bis zum Auszug des Mieters nicht erklärt, dass er die Wegnahme bei Beendigung des Mietverhältnisses abwenden wird, so kann der Mieter trotzdem die Übernahme der Einrichtungen durch den Vermieter nicht verhindern (AG Köln, Urteil v. 19.6.1995, 213 C 322/94, ZMR 1996, Heft 12, XV Nr. 10).
2 Ausschluss des Wegnahmerechts
Rz. 5
Das Wegnahmerecht des Mieters entfällt, wenn er vertraglich zur Vornahme der Einrichtungen verpflichtet war oder wenn der Vermieter von sein...