Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 1
Die Vorschrift enthält sprachlich geändert die besonderen Bestimmungen des bis zum 1.9.2001 geltenden § 557 Abs. 2 und 3 über Schadensersatz bei verspäteter Rückgabe von Wohnraum aller Art (einschließlich der Werkdienstwohnungen gem. § 576b und derjenigen nach § 549 Abs. 1 und 2 (Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 2). Auf die Haftung des Untermieters gegenüber dem Hauptvermieter ist § 571 BGB analog anzuwenden (Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 3; ähnlich, aber letztlich offengelassen von BGH Urteil v. 11.12.2020; V ZR 26/20, GE 2021, 118).
Sie schließt insoweit an die allgemeine Vorschrift des § 546a an. Ihr Inhalt bleibt gegenüber der jetzigen Rechtslage unverändert.
In § 571 Abs. 1 wird am Satzanfang die Tatbestandsbeschreibung aus dem bis zum 1.9.2001 geltenden § 557 Abs. 1 und 2 aufgegriffen. Allerdings werden die Worte "den Umständen nach" gestrichen. Denn sie sind ohne eigene Bedeutung, da sich die Billigkeit stets nach den Umständen richtet (so richtig die amtliche Begründung).
Rz. 2
Der Hinweis des Gesetzes auf ein Verschulden des Mieters hat nur klarstellende Funktion, da ein Schadensersatzanspruch ohnehin nur bei Verschulden besteht. Gemeint ist nur der Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Rückgabe der Wohnräume nicht wegen anderer Gründe, z. B. mangelnder Weitervermietbarkeit der Räume wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen (Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 5). Ansprüche, die nicht Schadensersatzansprüche sind, kann der Vermieter einschränkungslos geltend machen; dazu gehören insbesondere Bereicherungsansprüche gem. §§ 812 ff. BGB und Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gem. § 987 ff. BGB (Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 5). Das ergibt sich aus dem Zusammenhang von § 571 mit § 546a.
Der Mieter haftet nur dann auf Ersatz von Schäden infolge verzögerter Rückgewähr der Mietsache (§§ 280 Abs. 2, 286) als auch eines darüber hinausgehenden Schadens (§ 280 Abs. 1 S. 2), wenn und solange er die Ursache für die Verspätung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4). Einen entschuldigten Rechtsirrtum hat er nicht zu vertreten. Das gilt jedoch nur dann, wenn der Mieter die Rechtslage sorgfältig prüft, die höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet und, soweit erforderlich, bei einem Fachmann Rechtsrat einholt (BGH, Urteil v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428; BGH, Urteil v. 4.7.2001, VIII ZR 279/00, NJW 2001, 3114). Der Rechtsirrtum des Fachmanns (Mieterverein, Rechtsanwalt) wiederum wird dem Mieter zugerechnet (BGH, Urteil v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, a. a. O.). Lediglich eine in hohem Maße unklare Rechtslage kann den Mieter entschuldigen, allerdings nur dann, wenn es dem Mieter nicht zuzumuten ist, die Leistung unter Zugrundelegung einer für ihn nachteiligen Beurteilung der offenen Frage durch die Gerichte sofort zu erbringen.
Dem Umfang nach ist der Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Räumung allerdings dahin eingeschränkt, dass eine Billigkeitsregelung zu treffen ist. Wann der Mieter die nicht fristgemäße Rückgabe der Wohnung zu vertreten hat, wird auch in der Neufassung des Gesetzes nicht definiert. Allgemein wird angenommen, dass eine Vorenthaltung der Mietsache dann unverschuldet ist, wenn Härtegründe vorliegen, die zu einer Fortsetzung aufgrund der Sozialklausel des § 574 (§ 556a a. F.) berechtigen würden (einschränkend Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 9: nur in Ausnahmefällen). Der Wohnraummieter kann der ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Familienangehörigen eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1). Dasselbe wird angenommen, wenn Umstände vorliegen, die die Gewährung einer gerichtlichen Räumungsfrist (§ 721 ZPO) oder von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO rechtfertigen würden (LG Hamburg, Urteil v. 15.2.1996, 333 S 117/95, WuM 1996, 341; umstr.). Hierzu ist streitig, ob auch die Formalien des § 574b Abs. 1 Satz 1 eingehalten sein müssen.
Widerspruch des Mieters erforderlich
Die besonderen Belange des Mieters im Einzelfall (individuelle Härte) sind nach dieser Vorschrift erst auf Widerspruch des Mieters im Rahmen der Beurteilung, ob der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 10.5.2017, VIII ZR 292/15, ZMR 2017, 722).
Das ist zu bejahen (so auch Schmidt-Futterer/Streyl, § 571 Rn. 9 umstr.). Denn kann der Mieter nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund der Sozialklausel verlangen, weil er nicht rechtzeitig Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt hat, wäre es widersprüchlich, könnte er die Wohnung weiterbenutzen, ohne schadensersatzpflichtig zu werden.
Wenn der Vermieter nicht gem. § 574b Abs. 2 Satz 2 belehrt, verliert er seinen Regressanspruch gegen den Mieter. Wird trotz Widerspruchs ein Härtefall vom Gericht nicht anerkannt, dan...