Zusammenfassung
Eigentümerversammlungen sollen künftig vollständig online abgehalten werden können, wenn die Wohnungseigentümer dies beschließen. Das sieht ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium vor.
1 Rechtslage seit der WEG-Reform
Seit der WEG-Reform können die Wohnungseigentümer einzelnen Eigentümern per Mehrheitsbeschluss ermöglichen, online an (Präsenz-)Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online abzuhalten (digitale oder virtuelle Eigentümerversammlung), sieht das Gesetz bisher aber nicht vor.
Dies soll sich nun ändern. Der Referentenentwurf sieht vor, eine neue Beschlusskompetenz einzuführen. Demnach sollen die Wohnungseigentümer mit einer 3-Viertel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen die Möglichkeit rein virtueller Eigentümerversammlungen beschließen können; die Erlaubnis soll auf einen Zeitraum von 3 Jahren ab Beschlussfassung begrenzt sein.
Die bisher schon nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG bestehende Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen ("hybride Wohnungseigentümerversammlungen"), soll unverändert bestehen bleiben. Die Wohnungseigentümer sollen künftig die Wahl haben, Eigentümerversammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen.
Mit dem vorgesehenen Quorum von 75 % der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen werde der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die das Wohnungseigentum typischerweise für viele Wohnungseigentümer habe, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die vorgeschlagene Befristung auf 3 Jahre verfolge mehrere Zwecke. So sollen Erwerber von Wohnungen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor dem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden werden. Die Befristung trage auch der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern könne.
Entwurf für einen neuen § 23 Abs. 2a WEG im Wortlaut:
"Die Wohnungseigentümer können mit mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (virtuelle Wohnungseigentümerversammlung). Die virtuelle Wohnungseigentümerversammlung muss hinsichtlich der Teilnahme und Rechteausübung mit einer Präsenzversammlung vergleichbar sein."
2 Offener Brief pro Online-Eigentümerversammlung
Ursprünglich sollte bereits im Laufe des Jahres 2022 eine gesetzliche Regelung für reine Online-Eigentümerversammlungen auf den Weg gebracht werden. Da der angekündigte Entwurf bis Anfang Dezember noch nicht vorlag, hatten sich 9 Immobilien- und Verwaltungsunternehmen in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann gewandt und sich nachdrücklich für reine Online-Eigentümerversammlungen ausgesprochen.
Ihr Ansinnen begründen die unterzeichnenden Unternehmen, die nach eigenen Angaben mehr als 500.000 Wohnungen verwalten, mit einem praktischen Bedürfnis und den anstehenden Aufgaben bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes. Zudem habe die Erfahrung gezeigt, dass sich dort, wo Online-Eigentümerversammlungen ungeachtet der derzeitigen Rechtslage bereits durchgeführt werden, mehr Eigentümer einbrächten und beteiligten. Die Unterzeichner des offenen Briefs sind Bietigheimer Wohnbau, Ecowo, Frank-Gruppe, Kunze-Gruppe, Reanovo, Treubau Immobilienverwaltung, Schaefer & Wunsch Immobilienmanagement sowie Verwey.
Die Argumente derjenigen, die sich gegen die Möglichkeit reiner Online-Eigentümerversammlungen aussprechen, seien aus Sicht der Praxis unbegründet. Damit wenden sich die Unterzeichner des offenen Briefs gegen Bedenken, die hauptsächlich der Wohnungseigentümerverband "Wohnen im Eigentum (WiE)" vorbringt. Nach Meinung des WiE könnte die Erlaubnis reiner Online-Eigentümerversammlungen zur Folge haben, dass online nicht versierte Eigentümer, zum Beispiel ältere Wohnungseigentümer, künftig von Eigentümerversammlungen ausgeschlossen werden.
3 Auch VDIV pro Online-Eigentümerversammlungen
Auch der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) setzt sich seit geraumer Zeit für die Möglichkeit reiner Online-Eigentümerversammlungen ein.
Als die Pläne des Justizministeriums im Sommer 2022 bekannt wurden, begrüßte der Verband im Kern die Initiative. Allerdings monierte der VDIV zu hohe Hürden in der praktischen Umsetzung. Der VDIV plädierte dafür, dass die Eigentümer mit einfacher Mehrheit über die Durchführung reiner Online-Eigentümerversammlungen entscheiden können, so wie dies seit der WEG-Reform schon für die Entscheidung über die Online-Teilnahme einzelner Eigentümer der Fall ist.