Wenn Sie sich mit Hilfe des Zivilrechts gegen Lärmbelästigungen aus der Nachbarschaft zur Wehr setzen wollen, um etwa einen vollstreckbaren Titel in Händen zu haben, müssen Sie sich zunächst über Ihre Rechtsposition im Klaren sein. Denn je nach dem, ob Sie

  • Mieter,
  • Wohnungseigentümer oder
  • Hauseigentümer

sind, hält das Gesetz unterschiedliche Schutzvorschriften für Sie bereit.

2.1 Zivilrechtsschutz für Mieter

Wenn Sie als Mieter Lärmbelästigungen aus der Nachbarschaft ausgesetzt sind – seien es solche aus Nachbarwohnungen des gleichen Hauses oder solche, die von außen einwirken – haben sie die Möglichkeit, zweigleisig vorzugehen.

  • Zum einen können Sie die Möglichkeiten des Mietrechts ausschöpfen und ggf. durch Mietminderung den Vermieter zwingen, gegen die Belästigungsquelle etwas zu unternehmen.
  • Geht es nicht um mietvertragliche Regelungen, sondern um Streitigkeiten der Mieter untereinander oder um Belästigungen, denen ein Mieter durch belästigende Tätigkeiten auf einem benachbarten Grundstück ausgesetzt ist, dann kann er sich mit Hilfe des § 862 Abs. 1 BGB zur Wehr setzen. Diese Vorschrift lautet: "Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht[1]im Besitze gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. "

Inwieweit der Abwehranspruch ausgeschlossen ist, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, ist nachfolgend in Kap. 2.4 erläutert.

[1] "Verbotene Eigenmacht" liegt gemäß § 858 Abs. 1 BGB dann vor, wenn der Wohnungsmieter in seinem Besitz (etwa durch lautes Klavierspiel in der Nachbarwohnung) gestört wird.

2.2 Zivilrechtsschutz für Wohnungseigentümer

Wenn Sie Wohnungseigentümer sind, können Sie auch nicht so frei schalten und walten, wie Sie wollen. Dies folgt aus den gesetzlichen Regelungen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Zwar kann jeder Wohnungseigentümer nach § 13 Abs. 1 WEG mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren. Dieser Grundsatz wird aber mit Rücksicht auf das notwendige Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft dadurch eingeschränkt, dass wiederum jeder Wohnungseigentümer

  • nach § 14 Abs. 1 WEG gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet ist, gesetzliche Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten (Nr. 1) und das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, (...) aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst (Nr. 2) und
  • nach § 14 Abs. 2 WEG gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet ist, deren Sondereigentum nicht über das in Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und Einwirkungen nach Maßgabe des Abs. 1 Nr. 2 zu dulden.

Individualanspruch eines Wohnungseigentümers

§ 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG enthält eine "Wohlverhaltensklausel" bzw. die "Goldene Regel"[1] des Wohnungseigentumsrechts, wonach kein Wohnungseigentümer das Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen darf. Wird ein Wohnungseigentümer konkret in seinem Sondereigentum durch Lärm eines anderen Wohnungseigentümers gestört, hat er einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG sowie § 1004 BGB gegen den störenden Wohnungseigentümer.

Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer können z. B. in der Hausordnung allgemein verbindliche Regelungen wie etwa zum zeitlichen Umfang der Benutzung von Musikinstrumenten oder allgemeinen Ruhezeiten getroffen werden. Hält sich ein Wohnungseigentümer nicht an diese Regeln, verstößt er gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Diesen Verstoß ahndet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 2 WEG).

Inwieweit Abwehransprüche ausgeschlossen sind, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, ist nachfolgend in Kap. 2.4 erläutert.

[1] Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl. 2021, § 14 Rn. 47.

2.3 Zivilrechtsschutz für Hauseigentümer

Sind Sie Eigentümer eines eigenen Hauses, können Sie sich gegen störende Einwirkungen aus der Nachbarschaft mit Hilfe des § 1004 Abs. 1 BGB zur Wehr setzen.

Inwieweit der Abwehranspruch ausgeschlossen ist, weil eine Pflicht zur Duldung besteht, wird nachfolgend in Kap. 2.4 erläutert.

2.4 Die Pflicht zur Duldung von störenden Einwirkungen aus der Nachbarschaft

Die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (Grundeigentum) und § 862 Abs. 1 BGB (Grundbesitz) sind ausgeschlossen, wenn eine Pflicht zur Duldung der Einwirkungen besteht.

  • Für den Eigentümer legt dies § 1004 Abs. 2 BGB ausdrücklich fest.
  • Für den Besitzer gilt nach allgemeiner Meinung trotz fehlender gesetzlicher Regelung dasselbe, weil die Rechte des Besitzers nicht weitergehen können, als die des Eigentümers.

Rechtsgrundlage für die Duldungspflicht bei zivilrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen ist § 906 BGB. Diese Vorschrift lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang wie folgt:

Zitat

Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Geräuschen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verhindern, als die Ein...

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