Verfahrensgang
AG Aachen (Entscheidung vom 29.11.2004; Aktenzeichen 4 C 419/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.11.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Aachen - 4 C 419/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 79,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.07.2004 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte neben dem bereits erstinstanzlich zuerkannten Anspruch auf Erstattung der Lohnkosten ein weiterer Anspruch auf Erstattung der fiktiven Ersatzteilaufschläge in Höhe von 55,97 € gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalles grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei (vgl. BGHZ 155, 1 ff m.w.N.).
Bei der Berechnung der Schadenshöhe ist der Bundesgerichtshof in der vorzitierten Entscheidung zu der Frage der Höhe von Stundenverrechnungssätzen von folgendem ausgegangen:
Unter dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte zwar grundsätzlich gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei genügt es aber im allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Das Grundanliegen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll, darf bei der Bewertung nicht aus den Augen verloren werden. Der Geschädigte muss sich danach nur dann auf eine günstigere - und gleichwertige - Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, wenn ihm diese mühelos ohne weiteres zugänglich ist. Ist dies jedoch nicht der Fall - etwa weil die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze in den regionalen Fachwerkstätten tatsächlich anfallen - muss er sich auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen. Grundlage bei fiktiver Abrechnung der erforderlichen Reparaturkosten ist daher nicht der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region. Bei Zugrundelegung eines solchen abstrakten Mittelwertes würde nämlich außer Betracht bleiben, dass der Schädiger zur vollständigen Behebung des Schadens unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet ist, zudem würde die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie unzulässigerweise eingeschränkt werden. Schließlich würde die Realisierung einer Reparatur zu den von dem Schädiger vorgetragenen (günstigeren) Preisen die Entfaltung erheblicher eigener Initiative durch den Geschädigten erfordern, wozu dieser jedoch nicht verpflichtet ist.
Diese vom Bundesgerichtshof für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Stundenverrechnungssätzen einer Fachwerkstatt entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für die Frage der Erstattungsfähigkeit von sog. UPE-Aufschlägen, wenn diese - wie hier - in den örtlichen Fachwerkstätten anfallen. Denn auch in diesem Fall würde bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten die Dispositionsfreiheit des Geschädigten eingeschränkt und ihm auferlegt, einen aufwendigen Preisvergleich der einzelnen Werkstätten zu erstellen, um eine Reparatur im Rahmen der seitens des Schädigers zuerkannten Preise zu erhalten (vgl. LG Aachen in DAR 2002, S. 72).
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1 ZPO.
Beschluss:
Berufungsstreitwert: 55,97 €.
Fundstellen
Haufe-Index 3018950 |
NZV 2005, 649 |
KfZ-SV 2006, 29 |
SVR 2008, 60 |
VRA 2005, 97 |
VRR 2005, 311 |