Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Versicherte im Falle der Rechtsschutzversicherung die Möglichkeit frei zu wählen, ob er einen vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwalt oder einen von ihm selbst ausgewählten Anwalt beauftragt, stellt dies grundsätzlich keinen Verstoß gegen das Recht der freien Anwaltswahl dar, auch wenn in den AVB der Rechtsschutzversicherung ein finanzieller Anreiz für diejenigen Versicherungsnehmer enthalten ist, die der Empfehlung der Versicherung Folge leisten.
2. Der finanzielle Anreiz darf nicht derart hoch bemessen sein, dass er zu einer Aushöhlung der Wahlfreiheit führt.
Normenkette
UKlaG §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2; VVG §§ 127, 129; BRAO § 3 Abs. 3; BGB § 307; UWG § 4 Nrn. 1, 4, 11, § 8 Abs. 3 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar. Beschluss: Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Klauseln in den Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten. Die Klägerin, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk M. Bei der Beklagten handelt es sich um eine große deutsche Rechtsschutzversicherung.
Den Rechtsschutzversicherungen der Beklagten liegen deren allgemeine Bedingungen für Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) (vorgelegt als Anlage K1) zu Grunde. Es handelt sich hierbei um Bedingungen mit einer variablen Selbstbeteiligung. Mit Abschluss des Vertrages wird der Versicherte in eine "SF-Klasse 0" eingestuft. Bei einem schadenfreien Verlauf gelangt der Versicherte pro Jahr in eine ihm günstigere SF-Klasse. Zu Versicherungsbeginn hat der Versicherte im Versicherungsfall eine Selbstbeteiligung von 150,00 EUR zu tragen. Bei einem schadenfreien Verlauf reduziert sich diese Selbstbeteiligung in späteren Jahren auf 100,00 EUR (nach zwei schadenfreien Vertragsjahren) bzw. auf 50,00 EUR (nach 4 schadenfreien Vertragsjahren) und entfällt schließlich ganz (0,00 EUR nach sechs schadenfreien Vertragsjahren). Diese Regelung ergibt sich aus § 5 a Abs. 2, Abs. 3 ABR i.V.m. der nachstehend aufgeführten und in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unter § 5a Abs. 6a abgebildeten Tabelle:
a)
Einstufung und Selbstbeteiligung
Dauer des schadenfreien ununterbrochenen Verlaufs
Versicherungsjahre |
SF-Klasse |
Selbstbeteiligung EUR |
6 und mehr |
6 |
0 |
5 |
5 |
50 |
4 |
4 |
50 |
3 |
3 |
100 |
2 |
2 |
100 |
1 |
1 |
150 |
|
0 |
150 |
|
M 0 |
150 |
|
M 1 |
200 |
|
M 2 |
200 |
|
M 3 |
250 |
|
M 4 |
250 |
|
M 5 |
300 |
|
M 6 |
300 |
Bei einem schadenbelasteten Verlauf wird der Versicherte hingegen nach Maßgabe der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten unter § 5a Abs. 6b aufgeführten und im Folgenden abgebildeten Tabelle in eine Klasse mit höherer Selbstbeteiligung zurückgestuft:
b)
Rückstufung im Rechtsschutzfall
aus SF-Klasse |
nach SF-Klasse |
6 |
M 0 |
5 |
M 0 |
4 |
M 0 |
3 |
M 0 |
2 |
M 0 |
1 |
M 0 |
0 |
M 0 |
M 0 |
M 4 |
M 1 |
M 6 |
M 2 |
M 6 |
M 3 |
M 6 |
M 4 |
M6 |
M 5 |
M 6 |
M 6 |
M 6 |
Die variable Selbstbeteiligung beträgt danach zwischen 0,00 EUR und 300,00 EUR.
In § 5 a Abs. 5 der allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) der Beklagten ist definiert, was unter schadenfreien oder schadenbelastetem Verlauf zu verstehen ist. In § 5 a Abs. 5 heißt es wie folgt:
a)
Schadenfreier Verlauf:
aa)
Ein schadenfreier Verlauf des Vertrages liegt vor, wenn der Versicherungsschutz von Anfang bis Ende eines Versicherungsjahres bestanden hat und der Versicherer in dieser Zeit für keinen Rechtsschutzfall eine Deckungszusagen erteilt hat und keine Maßnahmen eingeleitet sind, die ein Kostenrisiko gemäß § 5 auslösen (z.B. Beauftragung eines Rechtsanwalts, Einreichung einer Klage).
bb)
Der Vertrag gilt auch als schadenfrei, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.
b)
Schadenbelasteter Verlauf:
aa)
Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt vor, wenn der Versicherer während eines Versicherungsjahres für einen Rechtsschutzfall eine Deckungszusage erteilt und Maßnahmen eingeleitet sind, die ein Kostenrisiko gemäß § 5 auslösen (z.B. Beauftragung eines Rechtsanwalts, Einreichung einer Klage).
bb)
Ein schadenbelasteter Verlauf des Vertrages liegt nicht vor, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung abgeschlossen ist oder wenn ein Rechtsanwalt aus dem Kreis der aktuell vom Versicherer empfohlenen Rechtsanwälte beauftragt wird.
Für die weiteren Einzelheiten des Inhaltes der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2009) der Beklagten, sowie deren genauen Wortlaut wird auf die als Anlage K1 vorgelegten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Beklagten Bezug genommen.
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 15.07.2010 (Anlage K3) ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte U...